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Beilage zum Diözesan-Archiv von Schwaben — 1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.17220#0006
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und zwischen den Vierungsstufen ist ja aber, wie früher be-
merkt, ganz unbenutzt befunden worden. Und nun noch ein
höchst gewichtiges Anzeichen — die Vermauer u n g der
Steinkiste. Solches kann selbstverständlich nicht nachträglich
geschehen sein durch allfallsige Kirchenschänder, Schatzgräber
oder Neugierige, denn diese hätten sicherlich nach Gelingen
oder Nichtgelingen ihrer That dergleichen Mühe sich gespart,
auch hat sich (s. oben) nicht die kleinste Spur von Gebeinen
vorgefunden. Das kann nur durch fürsorgliche, pietätvolle
Hände geschehen sein, welche die Reste eines großen Toten
zur Bergung an einem andern Ort Herausnahmen, aber weil
sie den mächtigen Steiusarg nicht mit fortzuschleppen ver-
mochten, denselben aber verhältnismäßig leicht durch einen
neuen ersetzen konnten, die Höhlung, wo dieser Leib bisher
gelegen hatte, vor Verunreinigung durch nachstürzende Erde
zu schützen, Bedacht nahmen. Diese Herausnahme der Ge-
beine Bertolds erklärt sich aber vornehmlich aus einem Um-
stand: hauptsächlich durch die reichen Geldmittel der Schwieger-
tochter Bertolds, Judith, der Witwe des Markgrafen Her-
mann I. (7 als Mönch in Cluny 1074) unterstützt, war
es Hirsaus größtem Abt, Wilhelm, gelungen, im Jahr 1091
auf dem andern Nagoldufer eine weit größere Kirche, die
St. Peterskirche samt Kloster herzustellen; die St. Aurelius-
kirche samt Kloster, in welchem von da an nur noch 12
Mönche unter einem Prior wohnten, verlor demgemäß alle
bisherige Bedeutung und konnte es eines bedeutenden Mannes
nicht mehr würdig erscheinen, dort die letzte Ruhestätte zu
haben. So sollte man denn weiter zunächst daran denken,
daß Bertolds Reste aus dem Aureliuskloster übergeführt wor-
den wären ins neue Kloster. Solches ist darum unwahrschein-
lich, weil die Schwiegertochter Judith, die im Jahr 1091 ge-
storben ist, in ihren letzten Lebensjahren mit dem Kloster
zerfallen war, Gebhard aber, ein anderer Sohn Bertolds I.,
längere Zeit Mönch in Hirsau, schon lange vor 1091 den
Konstanzer Bischofsstuhl inne hatte, also kein Interesse hegen
konnte, die Gruft des Vaters in Hirsau zu wissen. Das
entschieden Wahrscheinlichste ist deshalb, daß zur Versetzung
der Gebeine Bertolds außer der gesunkenen Bedeutung der
St. Aureliuskirche die Stiftung eines besonderen Zähringer
Hausklosters, des Klosters St. Peter im Schwarzwald im
Jahr 1092, Anlaß gab. Dorthin werden die Gebeine über-
gcsührt worden sein, wie z. B. die irdischen Reste des im
Jahr 1101 auf dem ersten Kreuzzug auf Cypern verstorbe-
nen und bestatteten Welf IV. im Jahr 1109 nach Wein-
garten gebracht worden sind, in das Welfsche Hauskloster.
Merkwürdiges Zusammengehen! Im alten Aureliuskloster ist
ein Zähringer, Vater des Stifters der Großh. badischen
Herrscherfamilie 1078 zur Ruhe bestattet worden, und in der
neuen Peterskirche desselben Orts wurde ein Angehöriger
unseres württ embergisch en Kö nigsh ause s , Abt Bruno
von Beutelspach (von 1103 an), Bruder des ersten Grafen
Konrad von Württemberg, im Jahr 1120 beigesetzt. Die
hiesige Ueberlieferung (das genaue Datum läßt sich nicht mehr
ermitteln) spricht von einem vor einer Reihe von Jahrzehnten
gemachten Besuch der verewigten G r o ß h e r z o g i n Stefanie
von Baden, welche in der Aureliuskirche vergebeuS nach
der Grabstätte Bertolds gefragt habe, und an dem stets denk-
würdig bleibenden 26. Mai 1891 hat Seine Majestät
König Wilhelm II. als Prinz Wilhelm mit hoher Ge-
mahlin und Tochter das hiesige neue Kloster mit seiner Peters-
kirche aufgesucht. Dort ist leider freilich keine Spur mehr
von des Ahnen Ruhestätte zu finden. So begegnen sich
denn auf dem klassischen Boden Hirsaus zwei große deutsche

Fürstenhäuser zu wiederholtenmalen und reichen sich dort die
Hände.

Der Unterzeichnete hat endlich noch eine Dank es -
Pflicht zu erfüllen. Der Güte des Herrn Fabrikanten
E. Zahn, des Eigentümers der Aureliuskirche, verdanke ich
in erster Linie die Ermöglichung von Ausgrabungen an dieser
Stätte. Weiter aber bin ich zu großem Dank verpflichtet
dem K. Landeskonservatorium, das die Wege weiter
geebnet, und vor allem dem K. Kultministerium, das in be-
kannter hochherziger Weise in Würdigung der hohen geschicht-
lichen Bedeutung des alten Hirsau Geldmittel für obige Unter-
suchungen verwilligt hat.

Hirsau, 12. Mai 1892.

Pfarrer Dr. Klaibe r.

(Beil. „Staatsan;.")

Die Rokeln oder Totenbriefe und ihre Deden-
tung für die Geschichte der einzelnen Wlvster.

Bon M. Graf.

„Eö ist im Vorigen vilfältig angefüget worden, beginnt
P. Hemmauer (1731) das 53. Kapitel seiner Geschichte von
Oberaltaich, daß vil Klöster und gantze Heil. Orden mit uns
einen geistlichen Bund getroffen, Krafft dessen, wann jemand
aus solchem Kloster mit Todt abgehct, alle andere für dessen
Seel gewiss Gebett, und Gottesdienst verrichten müssen.
Dannen hero, wann jemand verschiden, pflegt man dessen
Leben zu beschreiben und solche Beschreibung (wir nennen eö
Rotulum oder Totenbrief) an alle konföderierten Klöster ab-
zuschicken , damit die versprochene Hülf für deß verstorbenen
Religiösen Seel (es sehe nachgehends ein Herr Prälat, Priester
oder Layenbruder) gereicht werde." Nach Hundius R I. I-
450 fällt die Entstehung dieser Totenbündnisse, welche zuerst
zwischen Aebten und Bischöfen geschlossen wurden, in das
8. Jahrhundert. In der von ihm angezogenen Urkunde stehen
6 Bischöfe und 12 Aebte in Konföderation mit dem Ver-
sprechen, daß, wenn einer aus ihnen sterbe, ein jeder der über-
lebenden Bischöfe oder Aebte für den Verstorbenen in seinem
bischöflichen Palais oder Kloster 100 heilige Messen und
ebensoviele Psalter singen lasse. Er selbst aber solle in
eigener Person 30 heilige Messen persolvieren oder von den
ihm untergebenen Religiösen die erwähnte Zahl ergänzen
lassen. Wenn ein Priester oder Mönch aus beut Leben
scheide, soll der Bischof oder Abt durch einen einzigen Priester
oder Mönch 30 Nissus spsciules und . ebensoviele Psalterien
halten lassen.

Dieser erste Totenbund wurde nach Niedermayer (Das
Mönchtum in Bajuwarien S. 116) zu Dingolfing um die
Mitte des 8. Jahrhunderts errichtet und hiezu die Bestim-
mungen ausgenommen, welche wenige. Jahre früher (765) die
fränkischen Prälaten zu Attigny getroffen hatten. Von solchen
Totenbünden in der ältesten Zeit kennen wir den zu Frank-
furt, den der schwäbischen Klöster (um 800), welch letzterem
weitentlegene Münster wie Tours, Langers, Melun und Könige,
wie die von Frankreich und England, selbst mehrere deutsche
Kaiser beitraten. (Goldast. script. t. II, p. 151.)

Diese Totenbündnisse erhielten sich in etwas veränderter
Gestalt unter de» Klöstern bis zur Säkularisation und er-
reichten oft einen sehr großen Umfang. So stand das Kloster
Oberaltaich im Jahre 1731 mit 121 Klöstern in geistlicher
Konföderation. „O was grossen Trost, ruft R Hemmauer
ans, fühlet dann ei» sterbender Religiös, daß er gleich nach
seinem letzten Abtruck soviel Suffragia und Heil. Meßopfer
zu hoffen hat!"
 
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