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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0207
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191

nicht durch Stimmungen, wie sie der Anblick der leidenden
Menschheit hervorruft, gestört werden*). Auch die fran-
zösischen Maler mischen oft genrehafte Motive in Bilder,
deren Grundcharakter ein landschaftlicher ist, und stören
dadurch die einheitliche Wirkung. Daß ein Landschafts-
bild seine Eigenschaft als solches durch die Staffage selbst
vieler lebender Wesen nicht verliert, wenn diese in dem
Betrachtenden keinen Seclenkampf erregen**), zeigt sich in
dem „Winter in Flandern" von L. Vouwöe mit seiner
froh belebten Eisbahn. In ruhigem Naturgenusse schweift
das Auge über die bunte Menge, deren Treiben auf der
glatten schimmernden Eisdecke die Wirkung des Naturbildes
noch erhöht. — 2» den Landschaften von Marneffe,
Marcette und Kluhver bekundet sich eine gleiche künst-
lerische Auffassung der Natur und ein jenen Künstlern

*) So allgemein gefaßt, scheint uns der an sich richtige Ge-
danke etwas zu scharf ausgedriickt. Es kommt bei solcher (wie
bei jeder) Staffage lediglich darauf an, ob die darin ausgcdrückte
Stimmung mit der in der Landschaft ausgedrückteu Stimmung
harmonirt. Geht freilich die Staffage in ihrer Bedeutung bis zur
geuremäßigcn Action, dann wird die Grenze der blos landschaft-
lichen Stimmung überschritten. In dem genannten Bilde;. B.
würde etwa der Anblick des vom Blitz erschlagenen Schäfers
wahrscheinlich (wir kennen das Bild nicht) nicht stören. Durch
das Hinzufügen weiterer Personen, die zu jenem Naturereignisse
— denn für den Beschauer wird es ein solches bleiben — durch
ihr Gefühl in individuelle Beziehung treten, kommt erst das
störende Element hinein. D. Red.

**) Oder vielmehr — denn dieser Grund scheint uns erst die
Folge der eigentlichen Ursache zu sein — wenn die Staffage nicht
in ihrer Action eine selbständige Bedeutung aunimmt. D. R.

eigener Schmelz des Kolorits. — G al izz i und Valenzano
schließen sich mit großer technischer Gewandtheit der Rich-
tung Th. Rousseau's an. Beide Künstler leben aber
noch zu sehr in der Erinnerung an den heimathlichen Him-
mel Neapels und schmücken die fremde Erde mit dem
Glanze seiner Farben. In der „Erinnerung au die Franche
Comte" von 6 a ft an erkennt man den Sohn der Schwei-
zer Berge, der die Natur in ihrem stillen Walten be-
lauscht hat.

Ju der Marine-Malerei fehlt es in Frankreich
nicht an tüchtigen Kräften; Gudin, Jsabey, Ziem
.sind würdige Vertreter dieses Zweiges, aber nur der erstere
hat in diesem Jahre ausgestellt. Sein „Mondschein an
der holländischen Küste" ist reich an glänzenden und natur-
wahren Lichteffekten. Seinem Vorgänge aber ist es haupt-
sächlich mit zuzuschreiben, daß die Marine-Maler in ihren
Motiven sich immer mehr von dem offenen Meere in das
enge Gebiet der Küstenlandschaft zurückziehen. Statt des
weiten Oceaus bieten sie dem Auge kleinliche Details
der Seeufer und Häfen. Eine anerkennenswerthe Aus-
nahme macht hiervon Morel Fatio, der in dem „Sturm"
den Kampf der Elemente und das Ringen eines Fahrzeu-
ges gegen ihre vernichtende Kraft mit gewaltigen Zügen
schildert. — Benneter aus Christiania zeigt sich als feinen
Kenner nautischer Verhältnisse. Sein „Nächtlicher Kampf
einer französischen Fregatte gegen fünf englische Sckiffe"
ist lebendig und mit technischer Meisterschaft dargestellt.
Heler's „Schiffbruch" und „Schloß Elisabeth" geben in
einem glänzenden Kolorit ein treues Bild der erregten
See. (Fortsetzung folgt.)

Kunst-Institute und Kunst-Vereine.

Archäologische Hcsell'schaft in Berlin.

(Sitzung vom 2. Juni.)

Zuerst hielt Herr Fricderrchs einen Vortrag, in welchem
die Terminologie des homerischen Helms neu erörtert und aus
Vasenbildern des älteren Stils erläutert wurde. Zur Verständi-
gung über manche dabei berührte Einzeluzeitcn cntfpauu sich eine
icbhafte Verhandlung, an welcher namentlich dieHtn. G. Wolfs
und W. Ribbeck sich betheiligteu. Auch sprach der schon öfter
geäußerte Wunsch von Neuem sich aus, ähnliche, auf Anschauung
riickiveiscndc antiquarische Probleme durch ein aus den Kunst-
denkmälern zusammenzustellcndes Onomasticon erläutert zu sehen.
— Herr Bötticher gedachte der im vergangenen Jahre von ihm
besuchten Oertlichkeit von Eleusis und hob die Thatsache hervor,
daß in der dortigen^ Kapelle des heiligen Georgios, derselben,
aus welcher das große cerealische Relief herrührt, zwei angeb-
liche Marmorsäulen von 7>/? Fuß Höhe aufgcrichtct stehen, deren
geriefte Oberfläche früher den Eindruck ägyptischer Säulen her-
vorgerufen und die Vermuthung erregt hatte, als haben sie zum
vormaligen Jsisdienste gehört. Im Gegensatz dieser irrthümlichen
Ansicht erkannten die Herren Bötticher und L-track in jenen
vermeintlichen Säulen, welche man sich vielmehr in umgekehrter
Richtung zu denken hat, die Darstellung riesiger Fackeln des ce-
realischcn Tempeldienstes: ein in der Nähe gefundenes, etwa 4
Fuß langes, Fragment bestätigte diese Ansicht und gab der Ver-
muthung Raum, daß die gedachten Fackeln in ihrem ursprüng-
lichen Zustande 15 bis 16 Fuß hoch gewesen sein möchten. Die
Notiz erschien wichtig auch darum, weil sic der Ansicht, daß die
gedachte Kapelle ein ccrcalisches Heiligthum, vielleicht das des
Triptolemos war, neuen Vorschub leistet. — Dr. H. Jordan
machte durch Vorlegung einer von ihm aus Neapel mitgebrach-
Photographie die Gesellschaft mit der im vorigen Jahre zu Pom-
peji entdeckten vielbcwunderten und ihres Lobes würdigen Erz-
fignr eines lvie mit Ephcubcercn bekränzten, mit einem Bocksfell
versehenen und hochbcschuhtcn, übrigens nackten Jüngling bekannt,
dessen zierliche Erscheinung und aufhorchende Bewegung veran-
lassen kann, ihn mit Fiorelli auf Narciß zu deuten, zumal, >vic
Herr Gerhard bemerkte, dieser thespische Heros auch im Kreise
der bacchantischen Dämonen nicht unerhört ist. — Von einer
ueulich zu Frankfurt erschienenen Schrift von I. Becker nahm
Herr Gerhard Anlaß, über den als phrygischen Zeus bekannten

L-abaciuS sich zu äußern, welcher in dem mit Modius bedeckten
bärtigen Gott bronceuer Votivhände in der gedachten Schrift
überzeugend nachgewiesen, mit geringem Recht aber auch in den
bärtigen Reitersignrcn mit phrhgischer Mütze erkannt wird, welche
in Thonfignrcn aus Heddernheim (Taf. kl.. 4a, 5a, 5b) drei-
mal vorhanden sind; wenigstens ist diese Benennung durch den
reitenden Mithras oder Lumus eines bekannten Erzreliefs im hie-
sigen königlichen Antiquarium (Archäol. Ztg. 1854, Tafel LXVI.)
keineswegs gerechtfertigt. Ucbrigens lag es nahe, bei dem hier-
mit berührten Kreis römischer Kunstdenkniäler mit Gottheiten des
Orients auch des neuerdings von Cavedoni edirteil mithrischen
Reliefs eines vom Zodiacus umgebenen schlangenumwundenen
und löwenköpfigen Gottes, wie auch eines so eben von Detlef-
fen besprochenen afrikanischen Reliefs zn gedenken, in welchem
jedoch die niit gelehrtem Scharfsinn als mithrisch betrachteten
Andeutungen nur als zusammengruppirte Symbole zu Abwehr
allen Unheils gemeint sein dürften. Nach dieser gedrängten Mit-
theilung trug Herr Adler seine Ansicht über den Ursprung der
christlichen Basiliken vor. Unter Ablehnung des gewöhnlich voraus-
gesetzten Zusammenhangs mit den gleichnamigen Gerichtsbehörden
römischer Sitte, glaubte der Vortragende die christlichen Basili-
ken lediglich aus den im Innern römischer Privatgcbändc, solcher
lvie der Palast des Laterans eins war, errichteten Versammlungs-
Hallen mit hohem Mittelschiff und daraus gewonnenem Seitcn-
licht ableiten zn müssen. Die Einrichtung solcher Basiliken pri-
vaten Gebrauchs findet er in dem 6. Buch des Vitruv erwähn-
ten vecus Aegyptiacus entsprechend, dessen Benennung sich durch
uralte Muster derselben Bauart, namentlich durch eine vom ho-
hen Mittelschiff überragte drcischifsigc Säulenhalle zu Karnak er-
kläre. Gegen Anwendung dieser Vergleichung ans die nicht durch
Säulen, sondern durch Wände abgetheilten römischen Basiliken
und gegen noch andere Einzelnhciten dieses anregenden Vortra-
ges lvard hauptsächlich von den Herren Lepsius und Schnaasc
Manches eingewandt, ohne das Gewicht der ganzen Untersuchung
zu verkennen, auf deren Inhalt man best nächster Gelegenheit zu-
riickznkommen sich vorbchiclt. — Herr Hübner berichtete nach
brieflicher Mittheilung des Herrn Juan Perez de Vargas y
Salas in Casares bei Gaucin in den Gebirgen von Ronda im
südlichen Spanien von dem daselbst gemachten Funde eines weib-
lichen Kopfes in Marmor von schöner römischer Arbeit, etwa in
Lebensgröße, das Haar in der Mitte gescheitelt, an den Seiten
 
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