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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0206

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listische Wahrheit, mit der Horace Bern et die Wüste
und ihre Bewohner schilderte, ist das Vorbild der jünge-
ren Schule geworden: in Guillo mmct's „Scenen aus
der Saharah", Bar ry's und Belly's Bildern von Aegyp-
ten und besonders in Fromentin's „Falkenjagd" und
„Arabisches Bivouac" zeigt sich ein glänzendes Kolorit und
ein tiefes Studium der Natur und der Völkerschaften jenes
Erdtheils. Afrika hat für die wenigen französischen Land-
schaftsmaler, welche ihre Motive in der Fremde suchen,
die Bedeutung des Südens von Italien gewonnen; nur
die deutschen Künstler bleiben dem reichen malerischen Stoffe
treu, welchen die Campagna felice bietet und das Leben
der neapolitanischen Fischer mit seinen Gegensätzen süd-
licher Lebendigkeit und Trägheit sind ein stets dankbares
Thema für D- Achcnba ch. Sein „Meeresufer" und „Ha-
fendamm von Neapel bei Sonnenuntergang" schildern das
Treiben jener Bevölkerung und die reiche Farbenpracht
eines südlichen Abendlichts in lebendigen und naturwahren
Zügen. In Swertchkor's „Pferdemarkt im Innern
Rußlands" tritt der unbändige, naturwüchsige Kultur-
zustaud des russischen Landvolks, und in der „Rückkehr von
der Bärenjagd" das unwirthlich nordische Winterklima in
der Schilderung der Natur und der lebenden Wesen in
feiner Charakteristik und großer technischer Vollendung
wirkungsvoll hervor.

Die übergroße Vorliebe des Franzosen für heimische
Zustände, seine geringe Neigung zum Reisen und Wandern
haben in einzelnen Zweigen der Kunst und besonders in
der Landschaftsmalerei eine große Einseitigkeit in der Wahl
der Motive zur Folge. Paris vertritt Frankreich auch
auf dem Gebiete der Kunst; dorthin strömen alle künst-
lerische» Talente des Landes, und als ächte Pariser kom-
men auch die Landschaftsmaler wenig über die nächste Um-
gegend hinaus. Ein Fluß, der zwischen grünen Wiesen
oder Waldungen hinfließt, oder eine einsame Waldpartie,
in Frühjahrs- oder Herbst-Zeit, bei Sonnenuntergang oder
Mondschein aufgefaßt, bilden das endlos sich wiederholende
Thema, dem abwechselnd die Gegend von ville d'Avrey
oder Meudon und der Wald von Fontainebleau als Motive
untergelegt werden. Welche Abwechslung bieten dagegen
die verhältnißmäßig wenigen Bilder deutscher Künstler;
sie führen den Beschauer durch alle Zonen des Erdballs:
Hertzog zeigt an der großartigen Natur Norwegens mit
ihren Gletschern und reißenden Bergströmen, daß ein ideal
plastischer Stil nicht blos für die reinen und schönen Linien
und Lüfte des Südens, sondern auch für die schroffen
Formen nordischer Bildungen geeignet ist. Saal's treff-
liche „Somniernacht in Lappland" erregt trotz der lauwar-
men Tinten, welche die blaßgraue Dämmerung unterbrechen
ein gleiches Gefühl frostigen Schauers wie seine „Winter-
nacht im Walde von Fontainebleau." Von den glänzen-
den Lichteffekten italienischer Natur, welche die Umgegend
Nizza's den Motiven Leu's und Steinicke's bietet, wen-
det sich das Auge mit Befriedigung zu der poetisch har-
monischen Empfindungsweise, welche in Kalkreuth's „See
von Wolfgang" und Portmann's „Bergstrom in der Um-
gegend von Chambsry" den Grundzug der Auffassung
bifuet. Die Frische des Kolorits, welche hier der harmoni-
schen Gesammtwirkuna des Bildes nachsteht, tritt mit voller
Kraft in der „Landschaft in den Niederlanden"vonA.A ch en-
b a ch hervor und stimmt glücklich in den realistischen Ausdruck
des Motivs ein.

In der neuesten französischen Landschafts-Malerei wird
jener plastisch idealisirende Stil immer seltener; nur in den
Werken eines Daubigny, Paul Flau drin, deCnr-
z on, Foule nah und einiger jüngerer Debütanten, wie
Nazon und Daubign y dem Jüngeren, bekundet sich noch
das Streben, die Natur nicht in momentan zufälligen oder
vorübergehenden Erscheinungen, sondern in einer künstlerisch
freien Umformung nach den Principien des Schönen dar-
zustellen. In dem Gemälde Daubigny's: „Ein antiker Garten
und Billa" tritt noch eine Reminiscenz an den von diesem

Künstler sehr gepflegten historischen Stil hervor, der in
Frankreich durch ein zu schroffes Aufgeben jeder Natur-
wahrheit in einem dekorationsartigen Wesen untergegan-
gen ist. Diaz, P aul Huet und Theodor Rousseau
sind im landschaftlichen Geschmacke tonangebend geworven:
mit großem majerischen Effekt kopiren sie die Natur mehr
als sic dieselbe interpretiren. Cibot, Rozier, Lambi-
n e t, B l i n, Bussen, Bluhm und B r e i t b a ch schließen
sich in den von ihnen ausgestellten Werken jener Richtung
mit vielem Talente an. Sie entnehmen ihre Motive größ-
ten Thcils auS der Uingegend von Paris und legen bei
dem Mangel einer reichen Abwechslung in den Gebilden
der Natur den Hauptaccent der Darstellung auf die Wir-
kung des Lichts und der Luft; die große Schwierigkeit,
welche in einem solchen Verwiegen formloser Bestandtheile
liegt, bewältigen sie mit vollendeter technischer Gewandt-
heit.

In der Farbengebung macht sich bei einzelnen Künst-
lern ein zu sehr vorherrschender Grundton geltend, der
zu Bezeichnungeu wie „peintrs en gris“, „peintre en vert“
Veranlassung gegeben hat. Andere Maler wie Brest und
Rosier scheinen in einem orientalischen Motive alle Spie-
gelungen des Regenbogens für unentbehrlich zu halten.
Das Landschaftsbild soll die Natur in vollendeten Mo-
menten, nicht in vorübergehenden Entwickelungsstudien
darstellen: die blühenden Apfelbäume in Lambinet's
„Monat Mai" stören den landschaftlichen Eindruck, und
die versuchte Nachahmung deö saftig frischen Maigrüns
zeigt, wie sehr die Kunst hinter der Natur zurückbleibt,
wenn sie gewisse Erscheinungen erfassen will, für deren
Wiedergebung ihre Mittel nicht ausreichen. Die Geniälde
Corol's, eines ebenso begabten wie originellen Künstlers,
sind fast stets ländliche Phantasiestücke und niachen beim
ersten Anblick den Eindruck eines bloßen Entwurfs. Denn
die Zeichnung ist ohne Reinheit der Linien und die stark
aufgetragenen Farben erscheinen wie in einander verwischt.
Aber das Bild geziemt Leben und Ausdruck, je mehr man
sich der richtigen Perspektive nähert. Sein „Sonnen-
aufgang" schildert das Eindringen der ersten Sonnen-
strahlen in die graue Dämmerung einer Waldpartie mit
großer Naturwahrheit. Kein Maler übertrifft ihn in der
Darstellung des Zwielichtes; die Wirkung, welche in seiner
Farbengebung und Komposition liegen, erinnern an die
malerischen Effekte Ruisdael's; in der „Etüde von ville
d’Avray" hat er die waldige Frische, welche in dem Cha-
rakter jener Gegend herrscht, mit wunderbarem Ausdruck
anfgefaßt. — Huet steht diesem Künstler in tiefer Natur-
empsindung ebenbürtig zur Seite, und übertrifft ihn über-
dies in der technischen Ausführung; seine Zeichnung ist
korrekter, und die Nuancirungen der Lichteffekte treten schär-
fer hervor. Ein Hauch poetischer Ruhe liegt über seinem
stillen „Meudon", während in dem „Hain in der Nor-
mandie" die Natur sich in ihrer Kraft und Fülle zeigt.
Die ganze Meisterschaft des Künstlers bewährt sich aber
in der Darstellung großartiger, wilder Naturscenen, wenn
er wie z. B. in seinem „Felsufer von Houlgatt" die Ver-
wüstungen eines Seesturms schildert. Wie sehr er das
Kolorit mit dem Charakter des Motivs in Harmonie zu
bringen weiß, zeigt sich in diesen verschiedenen Bildern,
deren jedes in Farbengebung, Komposition und Zeichnung
ein einheitliches Ganzes bildet.— Der belgische Maler
Champeleer stellt mit ergreifender Naturwahrheit in
„Nach dem Sturme" die Folgen eines Unwetters auf dem
Lande dar: die Feuchtigkeit, welche noch in der Luft schwebt,
die zerknickten Bäume und Getreidefelder, der fessellos
dahinstürzende Bach und das über dem gesättigten Erd-
boden sich stauende Regenwasser sind wirkungsvoll auf-
efaßt. Der Künstler geht aber über die Grenzen des
andschaftsbildes hinaus, indem er das Interesse des Be-
schauers von der Natur auf die Erscheinung eines vom
Blitz Getödteten ableukt, der, von Weib und Kind gefolgt,
fortgetragen wird: der Eindruck eines Naturbildes darf
 
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