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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0209
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199

Korrespondenzen.

2. Wien am 23. Mai. (Akademische Preisver-
theilung; Ni a i au s st e llu ng des Oesterreichischen
Kunst Vereins; Ausstellung des älteren Kunst -
vereins). In voriger Woche fand die feierliche Ver-
theilung der Schulpreise an die Zöglinge der verschiedenen
Abtheitungen unserer Akademie statt.*) Die damit ver-
bundene Ausstellung der Leistungen der Schüler, Zeich-
nungen, Malereien und plastische Arbeiten, macht Meistern
wie Schülern alle Ehre und legt den thatsächlichen Be-
weis ab, daß die Leitung des Instituts eine vorzügliche
und daß das Wirken des Direktor Rüben sowie der
sämmtlichen Professoren und Lehrer ein sehr segensreiches
für die Kunst und verdienstvolles in jeder Beziehung ist.
Auf Einzelheiten einzugehen halte ich in diesem Falle für
unnölhig.

Wir haben in diesem Monat zwei Ausstellungen; denn
neben der gewöhnlichen Monatsausstelluug des öster-
reichischen Kunstvereins hat auch der ältere Kunst-
verein, oder wie er sich nennt „Verein zur Beförderung
der bildenden Künste" in seinem Vereinslokal im Volks-
garten eine zwar kleine aber sehr sehenswerthe Ausstellung
eröffnet. — Indem ich mit der des erstgenannten Vereins
beginne, bemerke ich, daß viele der diesmal ausgestellten
Bilder, meist vorzügliche Werke, Eigenthum des Vereins-
präsidenten, Prinzen August von Sachsen-Koburg-Gotha,
sind. Eins der besten Bilder ist das „Portrait des Mi-
nisters von Schmerling" von Schrotzberg. Vielleicht
etwas zu penibel durchgesührt und für seine Bestimmung
— es ist Eigenthum eines öffentlichen Instituts — zu
wenig monumental behandelt, ist es doch in Bezug auf
Lebendigkeit des Ausdruckes, Noblesse der Haltung und
Schönheit der Farbe sehr anzuerkennen und von bedeuten-
der Wirkung. Auch das zweite Portrait Schrotzberg's
„Bildniß Ihrer kaiserlicken Hoheit der Frau Erzherzogin
Anunciater" ist ein ebenso schönes wie ähnliches, charakter-
wahres Bild, daß sich außerdem durch eine große Fein-
heit des Tons auszeichnet. — Als gute Portraits sind
auch die beiden von Arist. Oeconomo zu bezeichnen,
wenn sie auch in d'cr Wirkung sehr verschieden sind. —
Auch Grögler' s „Portrait" ist gut gemalt und ähnlich;
nur wäre zu wünschen, daß in Zukunft der Spaß mit der
kleksigen Namenunterzeichnung wegbliebe.

Unter den historischen und genrehaften Figurenbildern
hebe ich zuvörderst Sigm. l'Allemand's „Erstürmung
des Königsberges am 3. Februar 1864" hervor. Es ist
Eigenthum des Kaisers und ist in der Komposition als
sehr gelungen zu bezeibnen; außerdem besitzt es eine wahre,
gesunde Farbe. Ueberhaupt ist die Wahrheit sowohl in
Bezug auf die lebendige und bewegungskräftige Darstel-
lung wie auf den gediegenen Vortrag das hervorstechende
Merkmal dieses tüchtigen Werkes. — Das ,,Gretchen im
Kerker" von -deni badischen Hofmaler I. Grund findet
beim hiesigen Publikum, hauptsächlich seines tiefergreisen-
den und populären Vorwurfs wegen, viel Beifall; viel-
leicht trägt dazu aber auch ein gewisses derbes Pathos —
um mich so auszudrücken — bei, welches, im Verein mit
einer absichtlich zurückhaltenden und doch energischen Ton-
wirkung, dem ganzen Bilde ein Gepräge von "Entschieden-
heit aufdrückt. Der Hauptaccent der kompositionellen Wir-
kung ist natürlich auf den Kopf Gretchens gelegt, dessen
Haltung und Gesichtsausdruck eine an Wahnsinn gren-
zende Verzweiflung — und zwar, wie bemerkt, in etwas
derber Weise — aber nicht Wahnsinn selbst offenbaren.
Wahrscheinlich bat dies der Künstler beabsichtigt. Ob
aber dies der Göthe'schen Auffassung entsprechend'und be-
sonders ob nicht der Ausdruck des Wahnsinns, dessen tra-
gische Wirkung grade durch die äußerliche Ruhe gewaltig

*) Siehe unter „Kunstinstitute" der vorigen Nro. das Ver-
zeichniß derselben. D. R.

sein würde, noch tiefer ergreifen würde, als diese etwas
absichtlich, ja theatralisch wirkende Charakterisirung Gret-
chens als der Verzweifelnden? — das ist eine andere Frage.
Mit dem Ausdruck „Theatralisch" wollen wir übrigens
keinen Vorwurf ausgesprochen haben; denn schließlich ist
das Bild doch eine Illustration zu einer schon poetisch ge-
stalteten und zwar für dramatische Darstellung gestalteten
Figur, und somit ist eö durchaus gerechtfertigt, daß der
Künstler das Gretchen so aufgefaßt hat, wie er es sich
auf dem Theater dargestellt denkt. Was wir übrigens an
dem Bilde entschieden loben, ist die Abwesenheit jeder
schwächlichen Sentimentalität. Ein Bürgermädel des 15.
Jahrhunderts ist keine Clauren'sche Zierpuppe, sondern
eher ein derbes, gesundes Kind, dessen tragisches Ende
gerade deshalb nur um so tiefer packt, je realistischer und
kräftiger es in seiner ursprünglichen Gestaltung angelegt
ist. — Was sonst noch an Figurenbildern vorhanden ist,
spielt keine große Rolle. Ich erwähne Chavet's „Braut-
werbung," ein hübsches Kabinetstückchen, desgleichen Cou-
lon's „Familienscene," Leleux's „Schleichhändler,"
kräftig gemalt, nur scheinen die Figuren der Schleich-
händler sämmtlich zu turz gerathen, Willems' „Liebes-
erklärung," ein trotz einiger Härten sehr schön gemaltes
Bild, Girardot's „Heimkehr," ein feines Bild, und
endlich Schönbrunner's „Aus dem Anachoreteuleben"
und „St. Augustin und der Knabe am Meeresstrande,"
letzteres ansprechender und auch in der Komposition ge-
lungener. (Schluß folgt.)

— Karlsruhe, den 24. Mai 1864. (Permanente
Ausstellung im Porphyrsaale des Gr. Winter-
gartens. Fortsetzung.) Bevor wir unfern Bericht von
Nr. 21 des Blattes forlsetzen, müssen wir einschiebend
zweier Bilder Gude's erwähnen. Das größe derselben,
„ein Lootseuhaus an der norwegischen Küste" ist so reckt
ein Stück Natur aus einem Guße. Der erste Blick feffelt
und das Auge des Beschauers ruht lange und gerne auf
dem weiten Wasser. Das Haus steht etwas erhöht auf
dem felsigen Vordergründe und bietet eine volle Aussicht
über das klippenvolle, bewegte Meer. Drohende Wolken
verkünden den nahen Sturm. Es ist ächtes Meerwasser,
was wir vor uns haben und man kühlt wohl,daß der Künstler
auch in seinem Schaffen zu Hanse ist am norwegischen Strande.
— Einen ganz andern Anblick bietet das zweite Gemälde,
ein „Motiv vom Niederrhein." Dort die Großartigkeit der
Natur, das weite, grenzenlose Meer, hier nur ein kleines
Stück Land, aber voll wirklichen Lebens und Wahrheit.
Was lebt auf dem schmalen Streifen Feld, ist bewegt
vom Sturme, den man fast selbst zu fühlen glaubt. Wir
lassen uns einen Realismus, der auf einem so feinen Ver-
ständniß der Natur und einer so unfehlbaren Geschicklich-
keit in der Darstellung der äußern Erscheinung beruht,
gerne gefallen.

An fcte früher erwähnten in dem Prophyrsaale aus-
gestellten Bilder reiht sich eine zur Verloosung bestimmte
Sammlung von Oelgemälden, Aquarellen, Zeichnungen rc.
an. Es sind einzelne bedeutendere Werke darunter. Nach
dem äußern Umfange wäre in erster Reihe ein Gcnrestück
von Sauen anzuführen. Mau könnte es ein Fisch- oder
Geflügelbild beißen. Eine große Masse zum Theil zer-
scknitiener Fische, Geflügel, Wildpret rc. liegt auf einem
Tische, hinter dem ei» robustes Mädchen steht und mit
einem Manne unterhandelt, der in einem Tragkorbe noch
weitere der eben erwähnten Gegenstände herbeischlcppt. Im
Hintergründe legt eine männlicke Gestalt mit augenschein-
lich großer Anstrengung, deren Nothwendigkeit wir aber nicht
reckt eiusehen, Ekwasanf die Waage. Eine wirksame, leicht
gehandhabte Technik läßt sick wohl erkennen, doch müssen
wir gestehen, schon bessere Proben der Geschicklichkeit des
Künstlers in dieser Richtung gesehen zu haben. — Ein
 
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