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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0210

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ganz bedeutendes Bild ist die „Brieftaube" von Keller.
Die lebensgroße Figur, eine schlanke, feine Mädchengestalt
mit einer Taube auf der Hand erweckt, so anspruchslos
das Motiv auch ist, immerhin Interesse. Das maaßvolle,
doch lebensfrische und wohlgestimmte Kolorit und die
sichere Zeichnung verrathen ein bedeutendes Talent, das
dieser Künstler schon früher in ganz trefflichen landschaft-
lichen Darstellungen aus tropischen Gegenden kundgegeben
hat. Eine der ausgestellten Landschaften der bezeichnetcn
Art wurde vor Kurzem von dem Großherzoge von Baden
angekauft. — „Pflüger am frühen Morgen" von Roux.
Es ist hier der Morgen gemeint, der noch etwas von dem
Unheimlichen, Gespensterhaften der Nacht hat und nur
den gelben Saum an, fernen Horizonte den vollen, klaren
Tag uns ahnen läßt. Diese eigenthümliche Stimmung ist
auch aus die Figuren des Bildes übergelragen, auf
das schwere Pferd vor dem Pfluge und den aufmerksamen,
ernsten Lenker des Gespannes. Der Künstler liebt es,
den Sehpunkt sehr tief zu nehmen, wodurch die Figuren
unvermittelt und überraschend in ihrer vollen und ganzen
Gestalt vor den Beschauer treten.

Eine „Landschaft aus dem Lüneburgischen" von Voß-
berg zählt zu den bedeutendsten Bildern der Ausstellung
und stellt eine vom Sturm bewegte Landschaft vor. Der
entwurzelte Baum im Vordergründe und das zerfallene
Haus weiter in der Mitte des Bildes vermehren den Ein-
druck, der durch die Darstellung des entfesselten Elementes
bezweckt wird. — Der „Waldbach" von Hotter ist eine
Ausführung des schon in dem letzten Berichte rühmend
erwähnten Bildes im größeren Maaßstab. — „Innerer
Hof der Mägdeburg" von demselben, mit mittelalterliche
Reiterstaffage, ist ein Bild in Abendstimmung, acht poetisch
empfunden und von großer Wirkung, was insbesondere
von dem Kontraste des abendlich erleuchteten Himmels
mit den düster» Felsen und Mauern im Vordergründe
gilt. So einfach es erscheint, ist doch viel Idee in der
Anordnung des kleinen Bildes. — Die „Kieferngruppe
und Wasserfall" von Vollweider ist eine anerkennens-
Werthe Leistung. Im Vordergründe herrliche Kiefern,
links und rechts mit Bäumen gekrönte Höhen, in einer
Schlucht in der Mitte stürzt brausend das Waffer herab
von den Felsen. — Die „Abendlandschaft" von demselben
zeigt allerdings ein anspruchloseres Motiv, ist aber doch
von bedeutender Wirkung. Schilf und Gras im sumpfigen
Vordergründe, links eine düstere Baumpruppe, ans die
schon ein Schatten der Nacht gefallen ist, rechts eine weite
Fläche mit vielen wechselnden Tönen. — Unter den von
Aders ausgestellten Landschaften erwähnen wir besonders
eine „Landschaft an der Alb", eine liebliche Idylle in
Abendstimmung, sodann eine „Landschaft aus der Umgegend
von Karlsruhe" und eine solche aus der „Umgegend von
Nizza" mit Fernsicht auf das Meer.

Das „Schwäbische Stadtthor" von Weißer, ist ein
mit großem Fleiß und liebevoll behandeltes Städtebild
mit reicher Staffage im Vordergrund.

chß Düsseldorf, den 28. Mai. (Die Konkurrenz
für Ausmalung des Elb erfeld er Gerichtssaals.)
Wie Ihnen bekannt sein wird, ist für die Ausschmückung
einer Wandfläche im Elbcrselder Gerichtssaal durch ein
Freskogemälde eine Konkurrenz eröffnet worden, an der sich
auch mehrere hiesige Künstler betheitigt haben. Diese
Konkurrenz ist vom Ministerium selbst ausgeschrieben und
werden die einlaufenden Skizzen von demselben, vielleicht
unter Zuziehung von „Kunstautoritäten", begutachtet und
darüber entschieden werden. Soweit nun wäre nichts da-
gegen zu sagen, im Gegentheil, man könnte seine Freude
darüber aussprechen, daß die monumentale Malerei auch
von Staatswegen mehr wie es bisher geschah, gefördert

9ejPfle8t zu werden scheint. Allein es ist in dem mi-
nisteriellen Ausschreiben ein Passus enthalten, der, wenig-

stens für hiesige Verhältnisse, einen sehr bedenklichen Cha-
rakter hat. Dasselbe enthält nämlich den Vorbehalt, daß
die entscheidende Instanz sich nicht dazu verpflichtet, der
besten Arbeit, d. h. der mit dem ersten Preis gekrönten
Skizze, auch die Ausführung selbst zu garantiren; ja daß
unter Umständen selbst ein Künstler, der gar nicht mit-
konkurrirt, den definitiven Auftrag erhalten kann. Wenn
man. nun auch zugeben muß, daß der Fall denkbar ist, ein
Künstler könne wohl eine vortreffliche Komposition im Klei-
nen entwerfen, ohne deshalb auch im Staude zu sein, die-
selbe im Großen auszuführen — so darf ich Ihnen doch
nicht verhehlen, daß hier in Düsseldorf allgemein die
Sage geht, es sei diese ganze Konkurrenzgeschichte nur
eine Art Anstandsmäutelchen für den von vornherein ge-
faßten Beschluß, daß dem Direktor Bendemann schließ-
lich der Auftrag ertheilt werden solle. Es ist bekannt,
daß Bendemann längst eine Skizze gemacht und die-
selbe dem Minister vorgelegt hat; und es fällt natürlich
ans, daß er trotzdem sich an der Konkurrenz nicht
bet heiligt hat. Mag dem nun sein wie es wolle, das
wenigstens kann ich versichern: es ist hier der allgemeine
Wunsch, daß die maaßgcbende Instanz auch in vorliegendem
Falle mit vollständiger Offenheit zu Werke gehen und nach
unparteiischen, von keiner Seite her beeinflußten Motiven
die Entscheidung treffen möge. Es schwebt hier so viel
Klüngel in der Luft, daß man ihn förmlich cinzuathmen
glaubt, wenn man sich erst in die hiesigen Verhältnisse
eingelebt hat, und so ist es den hiesigen Künstlern, wenig-
stens dem Theil derselben, welcher die vorwärts strebende,
nicht im Dunkeln schleichende Partei derselben bildet, in
der That nicht zu verargen, wenn sie ■— vielleicht auch da,
wo keine Veranlassung dazu vorbanden ist — eine Wit-
terung haben, daß irgendwo „etwas faul" sei.

Ich will hoffen, daß in vorliegendem Falle diese Wit-
terung eine solche sei. Sollten wider Hoffen und Wün-
schen aber dennoch Thatsachen zum Vorschein kommen,
welche die obenangedeuteteu Befürchtungen zu rechtfertigen
scheinen, so werde ich nicht ermangeln, Ihnen dieselben
mitzutheilen. Denn bei dem traurigen Zustande unsrer
Presse, deren Redactionen theils aus Mangel an Interesse
an den Kunstangelegenheiten, theils aus Unkenntniß — um
nicht schlimmere Motive zu erwähnen — jedem irgendwie
unterstützten Einfluß von Außen zugänglich sind, ist cs
wünschenswertst, daß wenigstens ein als unabhängig und
unparteiisch bekanntes Fachjournal, wofür „die Dioskuren"
bekannt sind, mit der Wahrheit offen herausrückt, wenn
so wichtige allgemeine Interessen, nicht nur der Künstler,
sondern der Kunst selber, auf dem Spiele stehen.

R. Paris, den 23. Mai. (Salon. Einleitung).
Eine möglichst freie Konkurrenz mit den Ansprüchen in
Einklang zu bringen, die nothwendig an ein Kunstwerk ge-
macht werden müssen, die Lösung dieser Aufgabe ist hier
in den letzten Jahren mit vielem Eifer und Glück ver-
folgt worden. Es wird dieses Resultat hauptsächlich durch
zwei Umstände befördert: durch den gegenwärtigen Zustand
der französischen Kunst im Allgemeinen und durch die Um-
gestaltung, welche die Regierung mit der Akademie der schö-
nen Künste vorgenommen hat. Die Geltendmachung der
verschiedenartigsten Bestrebungen leidet nicht mehr unter
dem erbitterten Kampfe, welchen früher die sogenannte
klassisch-akademische Schule gegen jede neuernde Richtung
führt; es giebt jetzt keine klassische und romantische Schule
mehr; Klassiker, Romantiker, Idealisten, Realisten und
Naturalisten leben und schaffen friedlich neben einander.
Es giebt in Frankreich keine Kunstschulen mehr, sondern
nur noch künstlerische Individualitäten, und jebem Streben
wird gleiche Berechtigung zu Theil. Die Vortheile und
Nachtheile jenes Verschwindens der Schulen zu prüfen,
ist hier nicht der Platz; das Gouvernement hat jene Auf-
lösung der Parteien aber mit Gewandtheit und Energie
benutzt, um in die zweihundertjährigen Satzungen der ata-
 
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