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23Ü

erscheint dieses Material daselbst nur als partielle Ausnahme
und pflegt erst wieder in den Neubauten seit dem 16. Jahr-
hundert vorzukommen.

Im innern Deutschland, wo die Römer nicht herrschten,
kommt der -Ziegelbau im frühen Mittelalter nicht vor, und wo
wir ihn, wie in Baiern, bei späteren gothischen Kirchen erblik-
ken, ermangelt er jeder eigenthümlichen Ausbildung, indem er
allein im glatten Mauerwerk als Ersatz der fehlenden Hausteine
angewendet wird; alle selbständig decorirten Theile der Archi-
tektur sind von Hausteinen gebildet, in dem, letzterem eigen-
thümlichen Style und ohne dass eine organische Verbindung
beider in Struktur und Farbe so verschiedenartigen Materials
versucht worden wäre.

Doch auch in einem grossen Theile derjenigen Länder,
welche der grossen nördlicheren Ebene Deutschlands angehören
und des bewachsenen Steinmaterials entbehren, und die deshalb
auf rlen Ziegelbau so zu sagen angewiesen sind, wie in Hol-
land und dem grössten Theile des übrigen allen Niederdeutsch-
lands, westlich der Elbe, findet sich dieselbe Erscheinung, welche
wir so eben andeuteten; nur sporadisch erkennen wir daselbst
eine eigenfhümliche Ausbildung des Ziegelbaues, meist in will-
kürlichem Wechsel mit Steinbau, wie z.B. in Verden.

Ganz anders ist dagegen das Verhältniss in den östlicher
gelegenen Gegenden, welche fast ausschliesslich aus ursprüng-
lich slawischen Ländern bestehen, die von den Deutschen nach
und nach christianisirt und zum bei weitem grössten Theile
auch germanisirt wurden. Rein germanische Länder sind hier-
unter nur der östlichste Theil Niedersachsens (wo jedoch auch
einst bedeutende slawische Elemente vorhanden waren) und Dä-
nemark; doch gerade diese beiden Gebiete sind in Bezug auf die
Art und Bedeutsamkeit der in ihnen vorhandenen Monumente
noch nicht genügend bekannt, weshalb hier vorläufig die Frage,
in wie weit etwa die Mischung germanische-: und slawischer
Elemente in jenen Gegenden wie in andern'Beziehungen, so
auch auf die eigenthümliche Ausbildung der Baukunst einge-
wirkt haben möge, nur angedeutet, nicht gelöst werden kann.

Das Gebiet des ausgebildeten Ziegelbaues erstreckt sich
mm, so weit es erforscht ist, von der Nordspitze Dänemarks
bis gegen Krakau hin, wo die Vorläufer des Karpathen-Gebirges
schon gleichzeitig auch dem reinen Steinbau sein gleichberech-
tigtes Gebiet anweisen. Im Westen reicht dieser eigenthüm-
liche Ziegelbau vollständig ausgebildet im ganzen Gebiet der
Altmark und sporadisch bis zur Weser und über dieselbe hin-
aus ; nach Osten hingegen so weit die Herrschaft, des deutschen
Ordens reicht; wie weit darüber hinaus, lässt sich nach den
vorliegenden Materialien noch nicht bestimmen. Dahin zu rech-
nen sind also die gesammte Mark Brandenburg, und nördlich
davon ein Theil des Lüneburgischen, Sachsen Lauenburg, Hol-
stein, Schleswig, Jütland und alle dänische Inseln, Mecklenburg
und Pommern; südlich der Mark Brandenburg, die magdebur-
gischen und chursächsischen Länder auf dem Fläming und andere
östliche Theile von Chursachsen und Meissen, die Niederlausitz,
der bei weitem grössere Theil von Schlesien, so weit nicht das
Gebirge den Steinbau bedingt; ebenso die weiten Ebenen Po-
'ens, soweit hier deutsche Kultur Wurzel fasste; endlich gegen
Nordosten ganz Preussen und alle vom deutschen Orden ab-
hängige «der mit ihm verbundene Länder au der Ostsee.

Die Ziegelarehitektur in diesen weit ausgedehnten Länder-
gebieten, wenngleich auch in ihr sich Eigenthümlichkeiten je
nach den einzelnen Gebietigem und Völkerschaften zeigen, er-
scheint dennoch als ein Gesammtganzes. Der Styl zeigt sich
oft bis in die kleinsten Details hinein als ein in sich abgeschlos-
sener, gegenüber dem Steinbau, so dass, des Beispiels wegen,
die Details des Domes in Marienwerder denen des Domes in

Stendal oder Brandenburg verwandter sind, als wie denen der
eignen südlichen Vorhalle welche aus Stein gearbeitet ist. Die
Ausbildung der Ziegelarchitektur im Laufe der Zeit, obschon
im Allgemeinen von der des Steinbaues abhängig, bildet den-
noch wieder ein in sich geschlossenes Ganze, so dass eine
neue Errungenschaft nicht auf eine Provinz beschränkt bleibt,
sondern alsbald im ganzen Gebiete des Ziegelbaues Geltung
gewinnt.

In allen diesen Ländern dürfte es kein aus Ziegeln erbautes
Bauwerk geben das um mehrere Decennien über die Mitte des
12. Jahrhunderts hinaufreicht; das älteste, sicher datirte fällt
gerade um diese Mitte selbst; hieraus folgt, dass der Ziegelbau
dieser Gegenden nicht an den Bestrebungen Theil nehmen konnte,
welche die mittelalterliche Kirchenbaukunst zuerst überhaupt
begründeten, da dieses fast schon hundert Jahre zuvor geschah ;
wohl aber an jenen, welche zur Begründung des gothischen
Bausystems beitrugen, d. h. auch im Ziegelbau sehen wir die
allmählige Entwicklung des Gewölbebaues bis zum Gothischen
hin, obschon damit nicht gesagt sein soll, dass derselbe an der
eigentlichen Erfindung dieses Styles einen Antheil hätte, son-
dern nur, dass er nach und nach, wie auch im übrigen Deutsch-
land, alle diejenigen Phasen mit durchmachte, welche die Vor-
bereitungen des gothischen Bausystemes und dann die weitern
Ausbildungen desselben stets begleiteten und deshalb, in ei-
genthümlich dialektischer Form, Analoga zu denselben bilden.

Es ist hier nicht die Absicht eine Gesammtübersicht der
Ziegelbauten in jenem oben beschriebenen weiten Ländergebiete
zu geben, was gegenwärtig wegen Mangels an Kenntniss aller
dieser Gebiete noch nicht einmal möglich sein mögte, sondern
nur in einem derselben, der Mark Brandenburg, jene fortschrei-
tende Entwicklung bis zur Blüthezeit der gothischen Baukunst
nachzuweisen. Theils liegen uns hierfür die Beispiele am voll-
ständigsten vor Augen, theils auch dürfte dieses, unser näheres
Vaterland, deshalb die meiste Beobachtung verdienen, da sich
hier sowohl die ältesten Beispiele dieses Baukreises als auch
die am höchsten vollendeten vorfinden.

Ich nenne hier zuerst nur im Vorübergehen ein Gebäude,
das man gewöhnlich an die Spitze der der Mark Brandenburg
angehörigen Architekturen stellt, nämlich die leider im Anfange
des vorigen Jahrhunderts zerstörte Marienkirche auf dem Har-
lunger Berge bei Brandenburg. Nur einige ältere Abbildungen
auf Gemälden aus der Zeit vor ihrer Zerstörung und ein klei-
nes Modell, das vielleicht erst nach jenen Abbildungen ange-
fertigt ist, zeigen die frühere Gestalt dieser Kirche, doch schon
in der Zeit, wo sie ihrem Verfalle entgegenging; über das
Detail aber, welches für Bestimmung <ler Erbauungszeit vor-
züglich bedeutend ist, sind wir völlig im Dunkel. Die qua-
dratische Anordnung des Grundrisses mit ihren vier Thürmen
und vier Absidenvorlagen steht in der deutschen Architektur
einzig da, so dass sie immer noch genug an orientalisch-by-
zantinische Bauformen erinnert, wenn schon die in den Abbil-
dungen so auffälligen Halbkuppeldächer der Absiden ursprüng-
lich wohl, wie anderwärts, mit gewöhnlichen Dächern über-
deckt waren. Kurfürst Friedrichs II. Sliflungsurkunden des
Schwanenordens von 1440 und 1443 ') nennen den letzten Wen-
denkönig Heinrich, oder Pribislav als ihren Erbauer, wonach
sie in die Zeit zwischen 1136, wo er getauft, ward, und 1142
oder 43, wo er starb, fallen würde. Die erste urkundliche
Erwähnung finden wir jedoch erst im J. 1165, wo sie dem Dom-
kapitel nebst der Gotlhards-Kirche durch Bischof Wilmar be-
slätigt wurde. Dass das Gebäude nicht völlig in einer und der-

i) S v. Stillfried: der Schwanenorden. 1846. S. 30.33. Daselbsl auch
eine Abbildung der Kirche.
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