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239

Lukas Kranach eigen war. Mit ausgezeichneter Sorgfalt ist be-
sonders das Antlitz und der Bart Gott-Vaters, mit Vorliebe und
Zartheit sind die Frauengesichter, minder gut die Männer be-
handelt. Im Gesicht des Sterbenden bemerkt man die Strenge
der Umrisse, welche zu des Künstlers Mängeln gehörte. Die
aufschwebende Seele ist sehr materiell dargestellt, doch dies
kann minder getadelt werden, weil sie nicht ätherischer als die
himmlischen Gestalten erscheinen durfte. Der Maler hat ihr
mit Recht einen Jünglingskörper unter Beibehaltung des indi-
viduellen Charakters verliehen. Ein neuerer Künstler würde
Vielleicht die Himmelsscene im verklärenden Dufte, ein grie-
chischer lauter Idealgestalten gemacht, ein alter Philosoph den
Gedanken darzustellen versucht haben, dass das Erdenleben
nur ein Traum der himmelentsprossenen Seele, und ein neuerer,
dass materielle und geistige Welt identisch, jene nur Maass
und Grenze dieser, nichts Selbständiges sei. Bei Lukas Kra-
nach hingegen darf man für das gleichartig realistische Gepräge
des Ganzen keinen andern Erklarungsgrund suchen, als dass
ihm die treue Darstellung des Wirklichen zur Gewohnheit ge-
worden war.

Kranach war nicht sehr stark in der Darstellung des Nack-
ten; es.fehlte ihm wahrscheinlich an bessern Vorbildern. Gleich-
wohl ist die verkörperte Seele recht gut gezeichnet und schat-
tirt, wenn man zumal berücksichtigt, dass hier keine ideale,
sondern die individuelle Gestalt eines Bejahrtem gegeben wer-
den sollte. In der Gruppirung besteht zwar noch eine alther-
kömmliche Symmetrie, doch ist die Anordnung schon ziemlich
zwanglos. Ungeachtet die Scene mannigfaltigen Anlass bot zur
lebhaft bewegten Darstellung, so gewahrt man in Allem die
Mässigung, zu welcher Lukas Kranach geneigt war, und sehr
schön ist von ihm die Himmelsruhe geschildert, welche den
Gegensatz zu den Aengsten und Leidenschaften des Erdenle-
bens bildet. Im Ausdruck gemüthvgller Frömmigkeit, in der
individuellen Lebenswahrheit und in der säubern ausserordent-
lich fleissigen Ausführung aller Einzelnheiten zeigt sich, wie
schon angedeutet, vorzugsweise das Talent des Meisters. Die
Gewänder sind einfach behandelt und sanft gebrochen, doch
haben die fliegenden Schleppen einiger Engel etwas Manierirles,
Licht und Schatten sind blos nach Falten und Rundungen ver-
theilt, ohne dass der Lichteffekt aus dem Ganzen berechnet ist.
Neben dem zarten Gewölk, welches den Hintergrund der Him-
melsscene bildet, ist die mangelhafte Behandlung des Erdbo-
dens auffallend, auf welchem unpassender Weise Steine liegen,
da doch der Fussboden eines Gemaches darzustellen war. Die
Färbung ist kräftig, frisch und natürlich in den Köpfen und
Fleischtheilen, bunt und lebendig in den Bekleidungen und En-
o-elsflügeln, duftig in den Wolken, aber misslungen in mehreren
Nebengegenständen, wie in dem Kopfkissen des Sterbenden und
dem Fussboden. Die Farben sind meistens nur durch die ge-
wöhnliche Abwechselung von blau, roth, braun, gelb und grün
vertheilt, ohne Uebergänge und Zwischentinten, jedoch macht
das Ganze einen heitern und angenehmen Eindruck. Das Ge-
mälde ist, wie die erwähnte Jahrzahl nachweist, zu einer Zeit
o-efertigt, wo Lukas Kranach bereits grössere Werke hervorge-
bracht und (im 46sten Lebensjahre) das höchste Stadium seiner
Kunstleistung ziemlich erreicht hatte.

Quandt spricht sich über den künstlerischen Werth dieses
Gemäldes dahin aus: „Die Farben sind von der lebhaftesten
Frische, das Colorit ist warm, natürlich und zart: jedes Lob
dieses Bildes gleitet doch nur an der Oberfläche hin, ohne des-
sen Verdienste alle zu ergründen, und eben so unerschöpflich
ist dies Gemälde an höchst humoristischen Beziehungen." Was
die Bedeutung des Bildes betrifft, so sieht er in dem Sterben-
den einen reichen Sünder, welchem im Leben Alles zu Gebote

stand, und der es nun versucht, ob auch der Trost der Kirche
ihm zu Befehl stehe; die fromme Gattin kniee betend am Lager
und scheine mit vielem Anstand betrübt, indess die vorsichtigen
Verwandten die Geldkasten ausräumen und die Theilung vor
dem Testamente abschliessen. — Ferner erwähnt Quandt1), dass
dies Bild vormals in einem Kasten verwahrt gewesen sei, auf
dessen Deckel eine Kreuzigung (nicht von Kranach) abgebildet war.
Goethe2) beschreibt nur in der Kürze den Gegenstand und
fügt hinzu: „Dieses Bild diente zur Zierde des Grabmals eines
Herrn Schmidtburg. Nicht zu beschreiben ist die Zartheit, wo-
mit es ausgeführt ist. Vorzüglich haben die Köpfe eine mu-
sterhafte Vollendung; auch findet sich hier selten etwas Ver-
schobenes, das in Kranach's Köpfen so oft vorkommt."

O

Zeitung.

iSerlra, im Juli. Im Adolf Menzel's Werkstatt sahen
wir eine Aquarell - Composition als Einfassung zu einer Glück-
wunsch-Adresse, welche der Magistrat und die Stadtverordneten
von Berlin dem Prinzen Wilhelm, dem Sohn des Prinzen von
Preussen, zu seiner Mündigkeitserklärung nachträglich über-
reichen wollen. Aus den pflanzenartigen Gebilden scheiden sich
oben drei Felder ab, welche von einander durch die vier Sta-
tuen der hauptsächlichen Monarchen aus der Preussischen Ge-
schichte getrennt erscheinen. Im Hauptfelde der Mitte ist der Prinz
dargestellt, wie ihm die Sporen angeschnallt werden, der Mantel
umgehängt und das Schwerdt dargereicht wird, während er von
den bisherigen Genossen Abschied nimmt. Mit diesen vereint
dem Unterricht hingegeben, erblickt man ihn auf dem ersten
Felde, während das dritte eine symbolische Andeutung auf zu
hoffende künftige Thaten des jungen Ritters enthält. Die Fluss-
götter der vier Hauplströme Preussens, der Weichsel, Oder,
Elbe und des Rheins, in breitem Blätterwuchs, silbernen Netzen
und dergl. ruhend und von Wappenfiguren und Thieren und
mancherlei Attributen umgeben, schliessen die eben genannten
Darstellungen nach unten hin ab, während zu beiden Seiten sich
die saftig feuchten Stengelverzweigungen hinaufranken, aus
welchen schlanke Reiher und Flussgestalten hervorlauschen und
an welche sich das Gewicht buntstreifiger Muschelbildungen
hängt. Von der Krone des Gipfelpunktes schlängelt sich eine
Draperie durch die Blüthenzweige der Arabesken, zwischen
denen zugleich zahlreiche Engelgestalten umherschweben. Die
Richtung des Künstlers zur realen Darstellungsweise der Hand-
lung hat dieses Element mehr überwiegen lassen, als es ge-
wöhnlich bei Schöpfungen dieser Art der Fall zu sein pflegt.
Doch wie lassen sich da Gesetze denken? Wir können nur
sagen, dass wir auch auf diesem, ihm sonst nicht eigenthümli-
chen Gebiete, dem genialen Künstlergeiste begegneten.

— Wie wir hören, geht der Maler Karl Steffeck in diesen
Tagen nach Schleswig-Holstein, um im dortigen Feldzuge Stoff
und Studien zu neuen Darstellungen zu sammeln.

ßUtttdjrit, im Juli. Wieder hat einmal der Tod einem
Maler den Pinsel aus der Hand gewunden, der erst die Hälfte
der gewöhnlichen Lebenszeit um wenige Jahre überschritten
hatte. Wie ein fleissiger Arbeiter ward Karl Rottmann un-
mittelbar nach Vollendung seines letzten Werkes abgerufen, als
ob es keinen Aufschub erleide, dass derjenige in seine höhere
Bestimmung eingeführt werde, der seine irdische: die Glanz-
stätten der Erde, den Schauplatz einer versunkenen grossartigen

1) Zeitung für die eleg. Well 1815. 27. Juni.

2) Bund 39, S. 275 der Ausgabe tob 1889.
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