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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 6.1855

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https://doi.org/10.11588/diglit.1199#0460
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Inzwischen hatte er andere Holzschnittarbeiten von Unzelmann,
Vogel und Kretzschmar, welche mit am Nibelungenliede schafften,
kennen gelernt, und als er im Herbst 1839 in seiner Vaterstadt
einen Besuch machte entschloß er sich schnell, noch zu Unzelmann
nach Berlin zu gehen, um sich in der neueren Technik zu vervoll-
kommnen, welche ihm mit den üblichen Instrumenten anfänglich gar
nicht so geläufig war, als mit seinen dicken Messern. Die Ueber-
siedelung Bendemann's und Hübner's nach Dresden zog ihn eben-
dahin nach. In Dresden war durch Ludwig Richter, der von
G. Wigand für die Illustration der Marbachschen Volksbücher ge-
wonnen war, schon das Bedürfnis nach Holzschneidern vorhanden,
und bald vermehrte sich dasselbe durch die Unternehmung neuer
größerer Werke für denselben Verleger. Dahin gehören MusäuS'
Volksmärchen, die Ammenuhr u. v. a. Bis dahin waren einige
nach Leipzig gekommene Engländer und Franzosen die hauptsächlich-
sten Arbeiter der Illustrationen gewesen. Sie betrachteten es als
ein einträgliches Geschäft und ließen sich ihre Sachen theuer bezahlen.
Die Leipziger Buchhändler drangen daher bei der K. sächsischen Re-
gierung auf die Gründung einer Unterrichtsanstalt für Formschneider.
Ehe diese eingerichtet werden und emporblühen konnte, hatten die
Leipziger Anstalten von E. Kr et sch mar und Flegel schon einen
siegreichen Kampf gegen die fremden Grabstichel begonnen; immer
aber blieb es von großer Wichtigkeit und sehr wünschenswerth fiir
die Bewahrung der Kunst, die im fabrikmäßigen Betriebe des Jllu-
strationsgeschäfts leicht von ihrer Würde einbüßen konnte, eine Pflanz-
stätte zu gründen. Dies geschah denn im Jahre 1846 und Bürkner
wurde als Lehrer der Holzschneidekunst an der Akademie der Künste
in Dresden angestellt. Die einst so geliebte Malerei trat nun ganz
in den Hintergrund. Freilich hatte sie dem Künstler den wichtigen
Dienst erwiesen, daß er, so zu sagen, von oben herab zu seiner
Beschäftigung gekommen ist und dadurch die sicherste Gewähr hatte,
inmitten der oft mechanischen Beschäftigung des Holzschnitts ein wah-
rer Künstler zu bleiben, wie er dies auch durch die Erfindungsgabe
an den Tag legte, mit der er in der nachher zu erwähnenden Fibel,
im Jugendkalender und in einer Reihe von Kinder- und Jugend-
schriften zugleich als Zeichner auftrat.

Bürkner hatte in seiner Schule bald Gelegenheit genug, zu be-
merken, wie die Mehrzahl der jungen Leute, welche sich dem Form-
schneiden widmen, wohl für den handwerklichen Theil ihrer Kunst,
nicht aber dafür gebildet sind, eine Zeichnung auf die geeignete Weise
auf den Holzstock zu übertragen. Dies zu lehren, darauf richtete
er seine ganze Aufmerksamkeit, denn es liegt ihm vor Allem am
Herzen, daß seine Kunst nicht in den Händen Unberufener verwahr-
lose und zurückschreite. Nicht er will durch den Holzschnitt wachsen, der
Holzschnitt soll durch ihn wo möglich wachsen, wenigstens in seiner-
ganzen Reinheit und Keuschheit bewahrt bleiben vor den Ueber-
griffen in andere Gebiete. Ferner war es und ist es sein Bemühen
und sein eifriger Wunsch, für den Holzschnitt und durch ihn für die
Kunst überhaupt in dem Volke den Sinn zu wecken und dem Vor-
trefflichen entgegenzuführen. Der Holzschnitt selbst ist ein Kind des
Volks; und zwar ein begabtes. Er erlangt im Verkehr mit den Künsten,
mit dem Schönen und Vortrefflichen der Erde Schwung und Bil-
dung, so daß er nach dem höchsten Inhalt des Lebens greifen darf;
aber er legt dabei die Schlichtheit und Geradheit seiner Sitte, die
Einfachheit seines Gemüths und die verständliche Rede nicht ab.
Letztere macht ihn auch der Jugend lieb und zugänglich. Für sie
arbeitete Bürkner mit besonderer Liebe. Mit der Fibel fangen seine
Gaben an. Wir sprachen über dieselben im Jahrg. 1851 S. 399.
Sie sind damals bei Wigand in Leipzig erschienen, der immer auf
praktische Unternehmungen einzugehen weiß. Der Jugendkalender
existirt schon seit 1846, also nunmehr in 9 Jahrgängen. Im drit-
ten Jahre trat R einick hinzu und schrieb den Text, so wie er ihn

auch zur Ammenuhr geliefert hat. Der größte Theil von „Hebels
Gedichten", die „Volks- und Studentenlieder", Bechstein's „Märchen-
buch", das „Buch von der schwarzen Tante", einige Jahrgänge der
„Spinnstube" wurden nach Richter's Zeichnungen bei Bürkner ge-
schnitten. Dann folgte das „Dresdener ABC-Buch" für große
und kleine Kinder; an der Cotta'schen „illustrirten Bibel" hatte er
wesentlichen Arbeitsantheil.

Auch das „Balladenbuch", aus welchem wir unseren Lesern
Jahrg. 1853 S. 252 eine Probe mitgetheilt haben, wurde in der
Werkstatt Bürkner's geschnitten. Man kann sagen, daß das sichere
und tüchtige Mittel der Vervielfältigung erst die Zeichner hervorrief.
So wurden Ludwig Richter, Hasse u. A. dazu angeregt, den Jllu-
strationsstift in die Hand zu nehmen, und es konnte bei der leben-
digen Thätigkeit, die sich entwickelte, und welche in den Büchern aus
allen Sphären der Wissenschaft und des Lebens die Zeilen wie locke-
res Erdreich auseinanderriß und den lebendigen Baum bildlicher
Darstellung für die Anschauung daraus hervorwachsen ließ, nicht
fehlen, daß die Dresdener Schule bald einen hervorragenden Rang
unter den deutschen Formschneide-Werkstätten einnahm. Gab er, der
eine Stütze dieser Schule geworden ist und eine eigene Werkstatt in
Dresden gegründet hat, ist ein Schüler Bürkner's. Schon die Möglich-
keit, sich sofort mit Geschicklichkeit in gutem Holzschnitt vervielfältigt
zu sehen, hat viel Verführerisches für einen Zeichner. Es ist so
ziemlich dasselbe, wie bei dem Buchdruck. Man schreibt, und die
Presse vervielfältigt es für Tausende; dasselbe kann der Zeichner-
Haben, wenn ihm ein tüchtiger Formschneider zur Seite ist. So ent-
stand Rethel's berühmter Todtentanz, der in tausend und aber tau-
send Exemplaren, ein fliegendes Blatt, durch die ganze Welt ver-
breitet ist.

lieber die „200 deutschen Männer" haben wir unfern Lesern
ebenfalls berichtet, desgleichen gaben wir eine Probe aus Schadow's
„modernem Vasari"; es ist noch der Nieritz'sche Volkskalender zu
erwähnen, zu welchem B. ebenfalls viele Illustrationen lieferte. Vom
Jugendkalender wurden Abklatsche nach England verkauft und dort
zu neuen Büchern verwendet. Andere bei uns nicht illustrirte Bü-
cher wurden in der englischen Uebersetzung von dem deutschen Mei-
ster mit Bildern versehen, z. B. Masius' „Naturstudien" — gewiß
ein merkwürdiger Umschlag der Dinge.

Engländer, die so sehr darauf aus sind, die Kunst populär zu
machen, wundern sich noch immer, wenn sie bemerken, daß deutsche
Meister von Rang und Ansehen für die Industrie, das Volk oder
die Kinder arbeiten. Aber die Natürlichkeit und Gesundheit, welche
aus den nach den besten Meistern der Jetztzeit geschnittenen Bil-
dern Bürkner's spricht, verfehlte nicht, stark gegen die zum Theil
so verschrobenen und handwerksmäßigen Bilder der Engländer in's
Auge und in's Herz zu springen.

Das ganze Bestreben Bürkner's und durch ihn das der Dres-
dener Schule geht dahin, dem Holzschnitt seinen breiten, kräftigen
Charakter zu erhalten, ihn schlicht und voll Einfalt aussprechen zu
lassen, was er zu sagen hat. Deshalb liebt Bürkner auch, große
Zeichnungen auszuführen, wie z. B. „Wie Siegfrieds Leiche nach
Worms gebracht wird", eine Zeichnung, welche Schnorr von Ca-
rolsfeld eigens für ihn machte. Desselben Meisters bekannte „Bibel
in Bildern" wird meist von tüchtigen Schülern Bürkner's geschnitten.

Von den beiden Todtentanzblättern „der Thürmer" und „der
Maskenball", welche nach herrlichen Compositionen Rethel's im
großen Style geschnitten worden sind, haben wir gleichfalls ausführ-
licher gesprochen. Ebenso haben wir des in ClairoLscur markig wie-
dergegebenen Portraits Sr. Maj. des Königs Johann von Sach-
sen gedacht und haben die Freude, es der heutigen Nummer bei-
zulegen.

Da Bürkner in Sinn und Geist so sehr mit den alten Mei-
 
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