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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 6.1855

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https://doi.org/10.11588/diglit.1199#0461
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stern der Kunst übereinstimmt, so kann es nicht fehlen, daß er vor-
züglich tief in ihre Werke einzudringen begabt ist, wovon die vor-
trefflichen Copien Zeugniß ablegen, die er geliefert hat. Außerdem,
daß ein großer Theil von dem Holzschnittwerk Rud. Weigels, wo-
von wir unfern Lesern öfters Proben mittheilten, in seiner Werkstatt
geschnitten sind, gab er selbständig das alte Testament Hans Holbeins
in 50 Holzschnitten heraus *) und zeigte darin eine so treue und
geistvolle Wiedergabe des Originals, daß er nach dem Zeugniß Ru-
dolf Weigels die 1830 zu London erschienenen Nachschnitte der Ge-
schwister Bhfield weit hinter sich läßt.

Unter den neuesten Sachen, welche B. fertigte, nennen wir noch
eine als Vereinsblatt vom Dresdener Kunstverein herausgegebene
Zeichnung von Hasse, die einen „Bauernhof am Morgen" vorstellt,
mit all' der Geschäftigkeit und all' dem Reichthum der vierfüßigen
und der gefiederten Hausthiere, welche den Grundbesitz zu schmücken
pflegen. Diesem folgte bald als Gegenstück ein „ Bauernhof am
Abend". Hasse's Thierbilder sind bekannt. Er weiß das zahme und
kultivirtere Geschlecht der Mitbewohner unserer Erde, das sich dem
Haushalt der Menschen anschließt, oder „im Wald und auf der
Haide" sein Wesen treibt, sehr charakteristisch darzustellen und hat
neuerdings für das Messer seines Freundes mehrere Blätter von
Federviehfiguren in der Größe von Fuß ausgeführt, welche Bürk-
ner ganz vortrefflich und voll Kraft und Leben wiedergegeben hat.
Es ist kein Zweifel, daß diese Blätter zum Unterricht aus Akademien
und in Schulen sehr wohl zu gebrauchen sind, und wir wollen hier-
durch wiederholt ernstlich darauf aufmerksam gemacht haben.

Eine der neuesten Arbeiten, welche wir von dem Künstler zu
sehen Gelegenheit hatten, ist die Ausführung einer humoristischen
Zeichnung von Ed. Bendemann. In dem Montagskränzchen,
welches in Dresden ausgezeichnete Männer der bildenden und re-
denden Kunst zur gegenseitigen Anregung und zu geselligem Verkehr
versammelt, pflegen Fragen verloos't zu werden, welche der Be-
treffende durch eine ki'instlerische Leistung zu beantworten hat. Auf
diese Weise war Bendemann die Aufgabe gestellt worden, zu er-
klären: „Wo Barthel den Most holt". Der genannte Meister lie-
ferte eine überaus joviale Darstellung des Moments, wo der heilige
Bartholomäus mitten in eine um eine Kelter im Freien gelagerte
Gesellschaft von harmlos genießenden Bacchanten tritt und mit einer
gewissen höflichen Zuversicht seine Krüge aus der Tonne zu füllen
geht, welchem Beginnen das heidnische Geschlecht halb verwundert,
halb neugierig zusieht. Die Vervielfältigung wurde allgemein be-
gehrt und so schnitt Bürkner das Bild in Holz. In derselben
Größe hat es der Meister selber für den Kunstverein in Frank-
furt a. M. in Oel ausgeführt.

Bendemann lieferte auch die überaus liebenswürdigen Zeich-
nungen zu dem Tafelkalender, welchen Bürkner im vorigen Jahre
zugleich mit dem von Hammer gezeichneten Jagdkalender herausgab.
Beide sind eine sehr gute Idee und zeigen wieder ganz den gesun-
den und praktischen Sinn, den Bürkner überall bewährt und womit
er bemüht ist, seine schöne Kunst allem geistigen Thun aufzuprägen,
das uns beschäftigt, und auf diese Weise das Leben wahrhaft zu
schmücken und zu erheitern.

Schließlich noch ein Wort über die Arbeiten B.'s mit der Ra-
dirnadel:

Der Wunsch, den im Thronsaal von Bendemann gemalten
„Fries" zu vervielsältigen, führte ihn/ da Holzschnitt dafür zu zeit-
raubend und kostspielig schien, zur Radirung, und nach wenigen Ver-

*) Hans Holbeins altes Testament in 50 Holzschnitten, getreu nach den
Originalen kopirt mit einer Einleitung von D. F. Sotzmann. Leipzig, G. Wi-
gand. 1850.

suchen unternahm er 1846 die Radirung desselben, der 1847 bei
G. Wigand in Leipzig erschien. Seit dieser Zeit hat er diese Kunst
meist in kleinen Blättern, Portraits rc., oft zu Privatzwecken, fort-
geübt, und ist jetzt dabei, sämmtliche Darstellungen des Tanz- und
Concertsaales in einem radirten Werke wiederzugeben. F. E.

Eine Fahrt durch Süddeutschland.

Von W. Lübbe.

6. Ein Tag in Fllaulbronn.

Heute muß ich Dich, lieber Freund, nach so manchen städtischen
Wanderungen mit einer Klosteridhlle des Mittelalters bekannt machen.
Es ist uns zu wenig Zusammenhängendes übrig geblieben, woraus
wir den reichgegliederten Organismus einer solchen klösterlichen Ge-
meinschaft uns deutlich vor Augen stellen könnten, als daß man nicht
eine so seltene Gelegenheit, wie sie Maulbronn bietet, benutzen sollte.
Dies ehemalige Cisterzienserkloster, dessen Gebäude jetzt einem Se-
minar dienen, ist seiner ganzen Anlage nach so vortrefflich erhalten,
wie kein anderes in Deutschland. Ja, der größte Theil des gegen-
wärtig Vorhandenen datirt noch aus der ersten Bauzeit des Klosters,
nur daß die Aussührurg eines so umfassenden Bau-Complexes im
Wesentlichen zwei Jahrhunderte ausfüllte. Das zwölfte und drei-
zehnte, selbst noch der Ansang des vierzehnten Jahrhunderts hat
diese ausgedehnten Werke enfftehen sehen, und die späteren Zeiten
haben im Wesentlichen nur restaurirt, umgebaut und Einzelnes dem
Gesammtorganismus hinzugefügt. Wir haben daher nicht bloß den
Vortheil, an einem in seiner Art unvergleichlichen Denkmal uns das
Klosterleben auf dem Höhenpunkt seiner Blüthe vor Augen zu rufen,
sondern es ist auch für die wichtigste Epoche der deutschen Architek-
turentwicklung wiederum ein künstlerisch bedeutsames, vielgegliedertes
und zum Theil fest datirtes Beispiel gewonnen. Denn wenn an
einer großen Masse mittelalterlicher Bauschöpfungen die Beschränkt-
heit des Zweckes und der Mittel die nach den Zeitumständen mög-
liche ästhettsche Durchbildung nicht gestattete, so haben wir in den
Baulichkeiten einer reichen und mächtigen Abtei, die eine Welt für
sich ausmachte und in kleinem Rahmen ein Spiegelbild ihrer Zeit
gewährte, den Inbegriff des künstlerischen Vermögens, das der Epoche
verliehen war, zu erkennen.

Soviel zur nothwendigsten Orientirung und nun laß Dich so-
gleich von mir an Ort und Stelle führen.

Maulbronn liegt in nordwestlicher Richtung von Stuttgart,
mitten in den waldigen Bergen, welche die Wasserscheide zwischen
Rhein und Neckar bilden. Noch jetzt bedeckt dichter Laubwald die
ganze Gegend, die von einer Unzahl kleiner Quellen, welche sich
rheinwärts wenden oder von der rauschenden Enz dem Neckar zu-
führen lassen, bewässert wird. Es ist so recht ein Platz für welt-
abgeschiedene Einsamkeit. Selbst die Eisenbahn, die in Bietigheim
sich westlich von der Neckarbahn abzweigt, um bei Bruchsal in die
rheinische Bahn zu münden, hat der Gegend diesen Charakter nicht
rauben können. Im Gegentheil, wenn der Zug an der mitten im
Walde, etwa eine Meile von der badischen Gränze liegenden Station
Maulbronn die wenigen Passagiere abgesetzt, die hier aussteigen, und
mit seinem Brausen in der Ferne verschwunden ist, tönt aus dem
Rauschen der Baumwipfel ringsum nur desto vernehmlicher und ein-
dringlicher die Sprache tiefer Waldeinsamkeit.

Früh Morgens hatte ich im Geleit der Freunde, die Du von
dem Ausflug nach Eßlingen her kennst, Stuttgart verlassen, und bei
guter Zeit waren wir bereits in der Station Maulbronn angelangt.
Ein dichter Nebel, der den ganzen Tag niederstäubte, umhüllte uns,

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