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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 7.1856

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https://doi.org/10.11588/diglit.1200#0012
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seiner Leidenschaft u. s. w., dazu einen Aufwand von Gestalten, die
erscheinen, um ihm zum Modell zu dienen, eine übermäßige Ver-
schwendung von allen Theaterkünsten, Dekorationen, Maschinen, Be-
leuchtung, Instrumenten u. dgl. und das Ende des Eindrucks ist —
daß es mir nicht gesallen hat. Der bildende Künstler würde hier
schwerlich auch nur einen einzigen Moment gefunden haben, der ihm
hätte zum Muster dienen können. Woher so wenig Wirkung bei so
vielen Mitteln? Wahrscheinlich doch, weil der ordnende, belebende
Geist fehlt, ohne den freilich auch dem Bildner seine Handfertigkeit
nicht nützt.

Aus all diesem folgt, daß der Tan; nichts taugt, wenn er dem
bildenden Künstler nicht zum Muster dienen kann.

Aber gesetzt den Fall, er wäre ganz vortrefflich, nicht nur das
Material wäre untadelhaft, also Körper und Gesicht schön, sondern
auch die Ausübung dem Inhalte des Darzustellenden angemessen und
das Auge des Bildners fände Rechnung vollauf vor der Schaubühne:
eins giebt es doch, wohin er sich durch den Pantomimen nicht soll
hinreißen lassen und wo dieser bei aller Charakteristik der Stellung
— wenn auch vielleicht nicht aufhört lehrreich aber nachahmungs-
werth für den Künstler zu sein.

Man darf nämlich nicht vergessen, daß der Pantomime keine
Stimme hat; er muß also auch da seine Spracharmuth mit Geber-
denreichthum verdecken, wo der Sprechende seinen Körper in Ruhe
lassen würde. Und gerade wie der Schauspieler im Vergleich mit
dem Pantomimen sparsam mit der Geberde sein soll, da er doch
Worte hat und es von sehr schlechter Aktion zeugt, jedes Wort mit
einer Geberde begleiten oder gar nachbilden zu wollen, gerade so
sparsam und mit Maaß muß der bildende Künstler die Geberde
handhaben; denn es ist nicht seine Ausgabe, Gestalten zu bilden,
welche nicht sprechen können, sondern es ist vielmehr seine Sache,
Menschen zu bilden, welche sich dieses Vorzuges nicht freiwillig ent-
äußert haben. Es mag wohl der Triumph einer Tänzerin sein, die
Rolle einer Stummen gut durchzuführen, aber es ist der Triumph
des Künstlers, redende Gestalten zu bilden. Dieses ist der Unter-
schied zwischen dem Gebrauch der Geberde von Seiten des Tänzers
einerseits und des bildenden Künstlers andererseits. Der Letztere
hat also genau auf die Grenze zu achten, wo die Geberde aufhört,
Begleitung der Rede, und anfängt, Surrogat derselben zu sein.

Eine Enlerie moderner Mdmrke für Wien.

Wien ist gleich stark an Galerien, die cs besitzt, an Galerien,
die es verloren hat und an Galerien, deren es noch bedarf. Rechnen
wir in die Reihe der crsteren nebst der kais. Galerie am Belvedere,
dem Antiken-Kabinette und der Albertinischen Sammlung die Ga-
lerien Liechtenstein, Esterhazy, Czernin, Lamberg, Harrach, Schön-
born, die Kunst- und Gemäldesammlungen der Herren Festeticz,
Beroldingen, Böhm, Jäger, Fellner, Arthaber, Adamowicz u. a. m.
— von denen das Ausland größtentheils so wenig Notiz nimmt,
als das Inland —, rechnen wir in die Reihe der Sammlungen,
die es verloren hat, die Sammlungen Eolalto, Fries, Puthan, die
Wetzl'sche Münz-, die Paar'sche Kupferstichsammlung u. s. s., so
nimmt unter den Galerien und Kunstsammlungen, die Wien bedarf,
eine Galerie moderner Bildwerke einen ersten Rang ein.

Ich möchte damit nicht behaupten, daß Sammlungen anderer
Art minder nothwendig seien. Wenn man erwägt, daß in ganz Wien
nicht Ein Abguß der florcntinischen Niobiden zu finden ist, daß es
in der gesammten österreichischen Monarchie kein einziges auch nur
halbwegs vollständiges Museum von Gypsabgüssen giebt, und daß

wir von unfern wichtigsten Baudenkmälern der Monarchie und ihren
Skulpturdenkmälern fast keine Gypsformen besitzen, so wird wohl
keinem Einsichtigen auch der Wunsch als ein ungerechtfertigter er-
scheinen, wenigstens in Wien mit einem Museum der Gypsabgüsse
einen Anfang zu machen. Wir meinen damit nicht ein Museum im
Styl des neuen Museums in Berlin: in Sachen der Kunst sind
die Wünsche eines Oesterreichers sehr bescheiden; was wir in dieser
Beziehung wünschen, ist nur die Ergänzung unserer Gypsabgüsse,
ein Ausfüllen der großen Lücken, die gegenwärtig bei uns in diesen
Sammlungen an der Tagesordnung sind. — Aber eine Galerie mo-
derner Bildwerke ist ein Bedürfniß, das nicht so leicht zu befriedi-
gen ist, wie das eben genannte, das aber nichts destoweniger durch
die inneren Kunstzustände Wiens dringender als je gefordert wird.

Es ist bekannt, daß die kais. königt. Galerie am Belvedere die
einzig öffentliche Sammlung ist, in der sich moderne Gemälde be-
finden. Ebenso bekannt aber ist es auch, daß der Schwerpunkt die-
ser Galerie einzig und allein in den Meisterwerken alter Kunst liegt,
die es beherbergt. Was sich an modernen Gemälden und Statuen
dort befindet, ist nur als Anhang zu betrachten, der den Gemälden
älterer Zeit angeschlossen ist. Sie machen nicht die Prätension, eine
Galerie moderner Bildwerke und Statuen zu sein, ja sie können
nicht einmal die Anforderung befriedigen, die Kunst Oesterreichs
der letzten vierzig Jahre zu repräsentiren. Jedermann in Wien
weiß, daß die besten Gemälde von Gaucrmann, Danhauser, Ammer-
ling, L. Pollack, Waldmüller, Führich, Blaas, Kupelwieser u. a. m.
in anderen Sammlungen gesucht werden müssen; Jedermann weiß,
daß Gemälde von Steinte, Schwind, Rüben, Flatz u. a. m. in die-
ser Galerie gerade nicht zu finden sind, und ebenso weiß Jedermann,
der mit den Gemäldepreisen der besten Künstler Europa's bekannt
ist, daß die Gesammtdotation, welche achttausend Fl. C. M. nicht
übersteigen dürfte, nicht hinreicht, um Gemälde ersten Ranges von
den Meistern ersten Ranges zu erhalten. Man macht aber deswegen
der Galerie am Belvedere keinen Vorwurf, weil man weiß, daß man
in ihr nur die alten Gemälde zu suchen, und daß in diesen und
durch diese die Galerie ihren Glanz' und Namen hat. Wer hat
auch Lust, nach der Io Correggio's oder Tizian's Danaö Lampi's
Venus oder die vielkopirte Leda zu betrachten? Oder wer wird See-
stücke von Wiener Malern und die verschiedenen modernen Wald-
landschaften gern sehen, der sich eben in Backhuysen's, Ruiödael's
und Simon de Flieger's Werke vertieft hat? Jeder ist in der kais.
Galerie am Belvedere vollkommen befriedigt durch den Anblick der
Werke alter Kunst und muß vollkommen unbefriedigt sein durch das,
was er in dem Appendip neuer Kunstwerke findet. Er würde wahr-
scheinlicherweise auch unbefriedigt sein, wenn in diesen Räumen auch
das möglichst Beste zu finden wäre.

Würde die moderne Kunst sich schon vollkommen auf jener Höhe
befinden, daß man ihre besten Werke ungescheut neben Raphael oder
Rubens, Michel Angelo oder Tizian stellen könnte, würden sie so
rein in ihren Formen, so kühn in ihrer Conception oder Technik
sein, wie die Meisterwerke alter Kunst, würden sie so ursprünglich
aus dem Volksleben hervorgegangen sein, wie diese, so würde man
unsere modernen Bildwerke ebenso kühn den älteren gegenüberstellen
können, als man Shakespeare mit Sophokles, Dante mit Homer
vergleicht, ohne in Gefahr zu kommen, daß die Schönheit der Poesie
des Einen durch die Eigenthümlichkeit der poetischen Schönheit des
Andern leidet. So aber sind wir nicht in der Lage handeln zu
können. Wenn wir die moderne Kunst schonen wollen, müssen wir
sie nicht mit den Gemälden der klassischen Zeit unter Ein Dach
bringen. Wenn wir sie beurtheilen und vergleichen wollen, dann
allerdings müssen wir sie nicht mit dem Besten unserer Zeit, son-
dern mit dem Besten aller Zeiten zusammenstellen, unbekümmert,
welches auch das Resultat eines solchen Vergleiches sein würde. Zu
 
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