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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 8.1857

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https://doi.org/10.11588/diglit.1201#0483
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459

Klang, ohne Rücksicht auf irgend eine musikalische Idee, unsere
Sinne reizt; mit diesem Vorzug des gehaltreichen Tons verbindet
Haffner das Verdienst der Gesammtharmonie und der geschickten, zu
einem ächten Colorit unerläßlich gehörigen Nebeneinandersetznng war-
mer und kalter Töne, so daß es ein Conzert prägnanter Farben-
wirknng giebt, welches im Ganzen laut wird und im Einzelnen seine
Bravouren und anmuthigen Partien hat. Der „Teich bei Mainau",
dessen grünes Wasser die hohen Bäume an seinem User abspiegelt
und von dem Durchfahren eines über die Binsen und Teichrosen
hingleitenden Kahnes sich kaum kräuselt, ist mit durchdringender
Frische und absonderlicher Wahrheit gemalt. An der „Hochzeits-
steuer" haben wir ein besonders glücklich gewähltes Thema für das
Genre, welches Haffner am liebsten behandelt, und, nebenbei gesagt,
einen Beleg, daß im Elsaß unter der französischen Herrschaft, zu-
gleich mit der deutschen Sprache, auch die alte deutsche- Sitte fort-
dauert. Die junge Braut steht vor ihrer Hausthür,, in vollem,
buntem Putz, und - empfängt die Geschenke, die zwei Nachbarn ihr
aus einem Schubkarren bringen: nämlich Proviant, Wirthschastsge-
räthe, Korn, Schinken, Bier, blanke Kessel, irdene Schusseln, zin-
nerne Krüge, eine Truhe, Schämel, ein Spinnrad, kurz eine Menge
von Gegenständen, die für den Pinsel eines Coloristen überaus er-
giebig und von Haffner anziehend und reizend gemalt sind.

Jetzt käme es bloß ans uns an, mit den reisenden Malern
einen kleinen oder vielmehr einen großen Ausflug durch' die Welt zu
machen; denn die pariser Landschafter und Genremaler, die sonst
kaum eine Ahnung hatten, daß hinter dem Vincenner oder Fontaine-
bleauer Walde auch noch Bäume wachsen und Leute wohnen, sind
in neuester Zeit sehr wanderlustig. Wir könnten mit C. I. Gc-
rome, L. Belly, Ed. Jmer, Eh. Theod. Fröre, Eug. Fro-
mentin, Narc. Berchöre, CH. Emile de Tournemiue, F.
Ziem und andern Malern der morgenländischen Küustlerkarawane
Algier, die Wüste Sahara, Aegypten, Syrien, die Levante, Rnme-
lien u. s. w. bereisen, und die- Reise wäre interessant genug. Denn
es läßt sich nichts Verschiedenartigeres denken, als diese orientali-
schen Gegenden und das Gemisch von Bäumen, Wiesen, Strohhütten,
Ententeichen und dergleichen, woraus unsere nordischen Landschaften
zu bestehen pflegen. Diese. Art von Natur ist jedoch unser Einem,
der aus dem Norden und Westen nicht herausgekommen, allein ge-
läufig; wir wollen daher den herzhaften Künstlern, die zwölf oder
fünfzehn hundert Stunden Wegs machen, um Anderes zu malen und
die Dekorationen zu wechseln, recht gern unfern verbindlichsten Dank
abstatten, können ihnen aber nicht kritisch nachgehen und nachsagen,
ob und inwieweit sie treu und sicher bei der Stange geblieben oder
davon abgewichen sind.

Altdeutsche und niedertnndische Kunst in Italic».

Der Mittheilung Ihres Correspondenten ek. in Nr. 44 (S.
390) über ein bedeutendes niederländisches Gemälde in Genua
kann ich ' einige . verwandte Nachrichten anreihen, welche sonst in
meinen Notizbüchern vergraben bleiben mögten.

Wie Neapel, (worüber S- 148. d. Bl. gesprochen) stand näm-
lich auch Genua im fünfzehnten Jahrhundert mit Niederdeutschland
in lebendigem künstlerischen Verkehre, und noch jetzt besitzt es eine
ziemliche Anzahl dorthin weisender Gemälde. Außer den: oben er-
wähnten, welches auch ich wenige Monate vor Ihrem Berichterstatter
sah und über dessen hohe Bedeutung ich mit ihm völlig überein-
stimme, (nur daß ich es nicht den Jahren 1450—1460, sondern
dem Schlüsse des Jahrhunderts und einem Zeitgenossen Memlings

zuschreiben mögte), gehören dahin zwei andere schon länger bekannte
Bilder, nämlich zuerst das Wandgemälde im Kloster von S. Maria
del Castello, welches Justus de Allemagna, wohl ein Nieder-

war, im Jahre 1451 malte, und dann das Altarbild mit der An-
betung der h. drei Könige in S. Donato, bei welchem Burckhardt
(Cicerone S. 849) an Quentin Messys denkt, dem indessen die
Farbe nicht entspricht, das aber jedenfalls von einem gleichzeitigen
und bedeutenden Niederländer herrührt. Die Architektur ist Re-
naissance, der Donatar (vielleicht aus der Familie Raggi, welche
wenigstens darauf Anspruch macht) offenbar Porträt- und daher das
Ganze wahrscheinlich in Genua selbst gemalt. Außerdem fand ich
in der Sakristei der bekanntlich jüngern Kirche S. Annunziata vier
zusammengehörige interessante Bilder aus der Geschichte S. Johannes
des Evangelisten, vom Anfänge des sechszehnten 'Jahrhunderts,
deutsch und doch 'wohl niederländisch, obgleich manche Farbentöne
an Augsburger Schule erinnerten. Zahlreicher sollen solche Werke
nordischer Kunst in der Umgegend Genuas sein, wo sie nicht, wie
in der Hauptstadt, durch den Lupus der spätem Zeit verdrängt wor- .
den. So sah ich schon vor Jahren in der einsam gelegenen Kirche
von S. Lorenzo zwischen Ruta und Rapallo, nahe der schönen Land-
straße nach Lucca, drei Tafeln, Theile eines größern Altarwerkes,
enthaltend die Hochzeit zu Cana, die Auferweckung des Lazarus, die
Kreuzigung des h. Andreas. Die erste dieser Tafeln hatte auf der
Rückseite die Gestalten von Adam und Eva und darunter die In-
schrift: Hoc opusfieri fecit Andreas de Costa Anno 1499 Brugis.
Die Inschrift selbst ist nicht unverdächtig, ihr Inhalt wird aber
durch eine von dem alten, jetzt modernisirten Altäre übriggebliebenen
Marmortafel bestätigt, nach welcher denselben die Gebrüder Costa
im Jahre 1498 gestiftet haben. Jedenfalls ist es ein treffliches
Bild von ejnem nahestehenden Schüler oder Nachahmer des Memling.
Außerdem sollen aber, wie Alizeri, Gnida artistica di Genova,
1846, Band Bll. S. 343 versichert, noch zahlreiche deutsche oder
niederländische Bilder in den kleinen Ortschaften des Küstenlandes
zerstreut sein, von denen er nur beispielsweise die in S. Michele di
Pagano, in Savona und in Cogorno sopra Lavagna nennt, wo er'
sogar die Jahreszahl 1400.gelesen haben will. Den stärksten Be-
weis eines engen Zusammenhanges dieser Gegenden mit niederlän-
bischer Kunst giebt aber der bekannte, in Genua ansäßige, ans Nizza
gebürtige Maler, Ludovico Brea, den Lanzi sogar, obwohl gewiß
mit Unrecht, zum Stifter der genuesischen Schule machen will.
Sein mit seinem Namen und der Jahreszahl 1513 versehenes
Hauptbild in S. Maria del Castello daselbst (nicht wie in Försters
Reisebuch angegeben eine Verkündigung, sondern „Ogni santi" Maria
in der Glorie der himmlischen Heerschaaren) ist in der vollen dun-,
keln Farbe, der gedrängten Anordnung, der bürgerlich-naturalistischen
Haltung der Figuren so sehr von italienischer Weise abweichend, daß
Alizeri mit Bezugnahme auf einen andern Lokalschriststeller Spotorno
ihn zum Schüler eines Corrado d'Allemagna machen will, der um
1477 als in Taggia dortiger Gegend wohnend angeführt wird. Ob
dies richtig ist, unterliegt weiterer Untersuchung, jedenfalls aber zeigt
das Bild, daß der Maler, wenn er nicht selbst in den Niederlanden
gewesen war, sehr sorgfältige Studien vor sich, gehabt hat, indem
das Kostüm und namentlich der Kopfputz der Frauen völlig nieder-
deutschen Zuschnitt hat.

Spuren wandernder deutscher Künstler jener Zeit finden sich
in Italien häufig. So sah ich in der Sakristei der reizend gelegenen
Klosterkirche zu Montenero bei Livorno hoch oben an der Wand
eine mächtiggroße und. sigurenreiche Krenzigung in farbiger Holz-
plastik mit alle den derben und characteristischen Zügen, welche unsre.
Künstler vom- Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrh. liebten.
Ohne Zweifel ist sie der Ueberrest eines großen Altarwerkes, das-
 
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