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Eggers, Friedrich [Editor]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0229
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gestreckt herabhängt; die großen Schwingen sind nicht gespannt,
doch siugbereit; die Rechte ist leise auf den Felsblock gestützt,
bereit zum beginnenden Fluge aufzuschnellen, die Linke ruht, die
Posaune haltend, noch auf dem Schooße, aber gleichfalls in der
Spannung, jeden Augenblick die Posaune zum Munde führen
zu können; der aufwärts gerichtete Blick erwartet den Wink von
oben. Wenngleich so alle Einzelmotive der gespanntesten Er-
wartung entnommen sind, so stört dieser Ausdruck dennoch die
plastische Ruhe in keiner Weise; es ist gerade die Geduld und
gesammelte Ruhe der Erwartung ausgesprochen, die nicht müde
wird, jeden Augenblick bereit zu sein, die hohe Mission zu vollen-
den, und der Welt den Moment zu verkünden, der unausbleiblich
kommen wird als der entscheidendste und hoffnungsvollste, der
nur denk- und fühlbar ist. Die unendliche Fülle dieses Inhalts
ist vollständig umfaßt in dem einfach schönen Gesichts- wie Ge-
sammtausdrucke der in klassischer Formvollendung gebildeten Engel-
gestalt, die wir uns nicht schöner verwendet denken können, als
in solcher Aufstellung auf einem eamxo sauto, daß sie ihn ganz
beherrschend gleichsam seine plastische Inschrift bildete. Leider
soll das für einen Nobile in Triest ausgeführte Marmorwerk
auf dem dortigen Kirchhofe nicht die günstige Lage haben, die
ihm gebühren möchte. — Als wir uns nicht enthalten konnten,
dem Künstler unsre Freude an dem Werke laut zu äußern, be-
merkte er, wie Halbwege nur ein Zufall ihm den Anstoß zu dieser
Conception gegeben habe. Es sei für dies Monument bei ihm
ein Genius der Hoffnung bestellt. Da es aber gerade für die
See- und Handelsstadt Triest bestimmt gewesen sei, habe er sich
durch den hergebrachten Anker so genirt gefunden, daß er sicher
keinen guten Genius in herkömmlicher Weise geschaffen hätte,
weshalb er es versucht, die Hoffnung auch ohne den Anker
unverkennbar darzustellen. — Wie schön ihm dies gelungen,
brauchen wir nicht zu wiederholen.
Ein anderes für eine durch Mildthätigkeit ausgezeichnete
Frau bestimmte Denkmal stellt in kolossaler Gruppe den „Genius"
dieser Tugend dar. Er erscheint als Engel in langem Gewände,
der einem links knieenden Bettler und einer rechts knieenden
Frau, neben der ein kleines Mädchen steht, Brod austheilt. Es
ist eine einfach schlichte Durchführung des Gedankens gegeben,
in dem Genius aber nicht die -Hoheit erreicht, die den Aufer-
stehungsengel auszeichnet. — Zwei andere Grabmäler stellen die
Leidtragenden in lebensgroßer Ausführung dar, wie es in Italien
eben eine nicht seltene Sitte ist, daß die Stifter des Grabmals
sich in Wort oder Bild bemerkbar machen. Was das Kostüm
angeht, so hat sich der Künstler bei einer männlichen Figur durch-
aus des Mantels bedient, bei einer Weiblichen der mittelalterlich
italienischen Tracht.
Von den Genrestückeu Ferrari's bleiben eine „Tänzerin,"
ein „Knabe mit einem Hunde," ein „lesendes Kind," eine „Me-
lancholie" als weibliche Gestalt, soweit die ziemlich ungünstige
Stellung der betreffenden Modelle ein Urtheil nehmen ließ, inner-
halb des in der italienischen Skulptur Hergebrachten, in dem die
Formvollendung als höchstes Ziel erscheint. Die Melancholie ist
in Ausdruck wie Haltung (die über dem rechten Knie gefaltet
gewesenen Hände sind in der Haltlosigkeit der Schwermüth aus
einander gefallen) gut motivirt.
In seinem kleineren Privatatelier arbeitete Ferrari an der
Skizze einer „Najade," welche einen Fischer zu sich ins Wasser
herabzieht, eine als Brunnenschmuck für einen Palast bestellte
Gruppe; daneben hatte er seine Erholungsarbeit, die er als bloßes
stuäio äel bello betrachtet, eine lebensgroße Najade, welche der
vollendeten Ausführung in Marmor nahe war. Sie hockt neben
einem Felsblock zum Wasser nieder, aus dem sie so eben eine

Wasserblume mit der Rechten gepflückt-hat, während die Linke
das vom Rücken gleitende Gewand über die Schulter zurück-
zieht. Wir heben dies Genrestück vor den übrigen hervor, weil
uns hier die Gelegenheit geboten war, uns an der vollendeten
Technik der Marmorarbeit und der meisterhaften Behandlung des
Nackten zu erfreuen. In der Bewegung der Arme wie in dem
Gesichtsausdrucke ist übrigens die Canova'sche Süßlichkeit nicht
verschwunden, wenngleich sie uns wie auch bei den übrigen Genre-
stücken gemildert erschien. —
In nächster Zukunft haben wir die Lösung einer größeren
monumentalen Aufgabe von Ferrari zu erwarten. Nahe bei der
Rialtobrücke ist bereits der oamxo 8. Lartolommeo durch Weg-
räumung eines großen Hauses um ein Bedeutendes vergrößert,
um mit einer Statue des Marko Polo geschmückt zu werden.
Wir hoffen demnächst darüber berichten zu können, wenngleich
bisher auch noch nichts für die Ausführung des Bildwerks selbst
in Angriff genommen ist. —

Kunstvereine.

Verein zur Erhaltung der alterthümlichen Bauwerke und
Kunstdenkmäler Danzigs.
Der eben erschienene Jahresbericht dieses vor zwei Jahren gestifteten
nachahmungswürdigen Vereins gibt das Bild einer geräuschlos und klein
beginnenden, aber in ihren Bemühungen erfolgreichen Wirksamkeit. Die
Zahl der Mitglieder ist gewachsen. Dieselbe beträgt jetzt 73. An baaren
Mitteln sind 157 Thlr. 5 Sgr. in der Kasse. Daß das noch nicht viel
besagen will, um bei Zerstörungen helfend einzuschreiten, welche vom Ge-
werbfleiß oder vom Unverstand den Denkmälern drohen, oder um um-
fangreiche Restaurationen durchzufnhren, versteht sich am Rande; aber es
wird dahin kommen bei der moralischen Macht, die der Verein ausübt
und von der sehr erfreuliche Beispiele mitgetheilt werden. Verkäufe alter-
thümlicher Schnitzwerke, Abbruch und Verkauf von alten Skulpturen hat
er durch Vorstellung und Zurede verhindert; durch das Bedürfniß ge-
geforderte Umbauten sind auf Anregung des Vereins mit Erhaltung kunst-
voller Fanden und nicht ohne stilvolle Restauration derselben bewerk-
stelligt worden. Wahrlich, es ist mehr, daß in Fällen, wie diese, der
Verein Belehrung, Bewußtsein vom Werth des Bedrohten in der Seele
des Besitzers, als wenn er Geld gegeben hätte. Das mit Geldmitteln
gerettete oder erhaltene Denkmal ist von der Gleichgültigkeit stets auf's
Neue bedroht; weckt man aber die Liebe zu ihm in der Seele des Be-
sitzers, so hat man ihm einen Wächter erweckt. — Auch ist durch den
Verein die Aufmerksamkeit des Landesconservators Geh. Rth. F. v. Gunst
auf die nothwendig gewordene Restauration des alten Zeughauses, des
hohen Thores und des Hauptwachgebäudes gelenkt, und die Königl.
Fortifikation, unter deren Verwaltung diese Bauwerke stehen, bedient sich
bei der vom Kriegs-Ministerium genehmigten Wiederherstellung des be-
ruhenden Beistandes des Vereins. Rath und Belehrung also zu er-
theilen, Liebe und Begeisterung zu erwecken ist vor der Hand die schöne
und segensreiche Wirksamkeit des Vereins. — Gibt es aber auch irgend-
wo etwas zu erhalten, so ist es allerdings Danzig. Gleichwohl sollten sich
auch in andern Städten (um an der Ostsee zn bleiben, beispielsweise in
Lübeck, Rostock, Wismar), wo es auch genug zu erhalten gibt, derartige
Vereine bilden. — Uns fällt, indem wir dies schreiben, manches öffent-
liche Denkmal ein, das vielleicht noch erhalten wäre, wenn man einen
Verein gehabt hätte, während wir uns erinnern, daß mancher alterthüm-
liche Privatbesitz durch unsere, des Einzelnen, Erinnerung conservirt blieb..
F. E.

Verlag von Ebner L Seubcrt in Stuttgart. — Druck der I. G. Sprandel'schen Buchvruckerci dascll'il.
 
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