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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0349
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mit verjüngter^ Lebenskraft darin zu pulsiren, diesen kann man
sich nicht entziehn, ohne doch innerlich von ihnen erfüllt zu sein.
Daran vor Allem krankt die hiesige Sculptur, daß sie diesen
Zwiespalt nicht überwunden hat; Einzelne sind über ihn hinweg-
gekommen (und vor jedem Andern muß man Brugger nennen),
aber die Masse der Production bleibt darin befangen. —
Diese flüchtigen Andeutungen wird der Kundige nicht miß-
verstehen. Ich verfolge sie hier vor der Hand nicht weiter. Nur
möchte ich noch die Gelegenheit ergreifen, über die vielbesprochene
neue Aufgabe Nietschel's in der Eile ein Wort zu sagen. Ich
meine das Luther-Denkmal. Es ist die Rede davon, daß der
Künstler die Gestalt unseres großen Reformators in der Kutte
darzustellen im Sinne hat; daß er sich indessen noch nicht defini-
tiv dafür entschieden. Man kann es gewiß nur weise und des
Gegenstandes würdig finden, wenn er diesen Punkt noch als offene
Frage der Nation gegenüber behandelt; denn offenbar muß der-
selbe eine gewisse Bedeutung für uns haben, die zugleich mit der
Würde des monumentalen Bildwerks auf das innigste zusammen-
hängt. Nietschel beabsichtigt, seinen Helden in dem Momente
darzustellen, wo er zu Worms (ebendort, auf dem Marktplatz,
soll ja auch das Denkmal seine Stelle finden) fest auf seinem
Sinne beharrenv das unvergeßliche Wort ausspricht, das die Kraft
der innersten protestantischen Ueberzeugung auf das schönste kund-
gibt. In welcher Weise der Künstler diese Intention zur Geltung
bringen wird, wissen wir freilich noch nicht; vertrauen muß man
ihm aber, daß er das Mißliche, das in diese Auffassung sich
leicht hineindrängen kann, in sicherem plastischem Gefühl vermei-
den wird. Es ist ein historischer Moment, dessen Bewegt-
heit im Standbilde zum Ausdruck gelangen soll; — der bedeut-
samste, der innerlich und äußerlich entscheidende Moment, aber
immer doch ein Vorgang, eine Action. Man darf nun aller-
dings begierig sein, wie der Meister diese Intention mit der ru-
higen Feier des Denkmals, mit der gemessenen plastischen Würde
in Einklang bringen wird. Das Monument soll den ganzen
Mann vor uns hinstellen (so weit die sinnliche Erscheinung das
vermag); tritt er in Action, zeigt er sich in momentaner Geberde,
so muß er damit am Eindruck des Vollen, Abgeschlossenen ver-
lieren, was er etwa an Lebendigkeit und Energie gewinnt. We-
nigstens ist dies die natürliche Voraussetzung, so lange uns nicht
die Meisterschaft des Bildners eines Besseren belehrt und den
Augenblick mit dem Ewigen zu verschmelzen weiß. — Mit dieser
Intention hängt denn auch selbstverständlich zusammen, daß Niet-
schel geneigt ist, Luther in der Kutte darzustellen: es ist der prote-
stirende Mönch, den er im Sinne hat, — de? Mönch, über den
erst dieser Augenblick, wenn auch -für alle Folgezeit, entscheidet.
Doch ich bin der festen Meinung, daß gerade hierin das
Mißliche des Motivs entschieden zu Tage tritt. Wir wollen in
diesem Denkmal (das so großartig und umfassend angelegt ist)
das Unvergängliche des großen Mannes, die unzerstörbare Würde
seines Gedächtnisses in Formen gekleidet sehen: das Mönchsge-
wand verhüllt uns gleichsam diesen Kern jund spielt unsere
Vorstellungen in eine Vergangen!) eit zurück, der die Nachkom-
men Luthers nicht mehr angehören. Ein historisches Ge-
mälde, das den Reichstag zu Worms darstellt, muß uns L-uther
im Kleid seines Ordens zeigen; ein plastisches Denkmal hat
mit diesem geschichtlichen Ereigniß nichts zu thun, es soll den
Mann darstellen, über seine einzelnen Thaten und Geschicke
hinaus, wie er in alle Zukunft hineinragt, nicht wie er in eine
abgeschüttelte Vergangenheit zurückweist. Ich glaube, diesen Ge-
sichtspunkt muß man überhaupt festhalten, wenn man unserer
monumentalen Sculptur ihre Würre und ihren Stil bewahren
will. Nicht, als ob man darum weniger das Individuelle und
den Reiz der persönlichen Besonderheiten im Auge haben und

mit künstlerischer Liebe bilden sollte; aber nur so weit darf man
das Einzelne festhalten, als es den Eindruck der Totalität
nicht unterbricht, noch das Wesentliche mit dem Zufälligen oder
gar mit dem Ungehörigen vermengt.
Auch wird der wackere Künstler selbst gewiß am leichtesten
für diese Auffassung zu bestimmen sein. Wie ich (im christlichen
Kunstblatt) gelesen habe, soll am Fußgestell der kolossalen Erz-
figur, am oberen Theile, in unmittelbarer Nähe des Standbilds,
neben drei andern Reliefs auch der Reichstag zu Worms abge-
bildet werden. Hier also findet ja das besondere Ereigniß seinen
Platz, das Nietschel zugleich bei der Hauptgestalt im Sinne hat;.
— um so weniger braucht er diese noch darauf zu beziehn, ihren
Ausdruck, ihre Geberde dadurch bestimmen zu lassen. Den Kern
der unerschütterlichen Gesinnung, der in jenen geschichtlichen Wor-
ten liegt, mag er den Zügen des Glaubenshelden aufprägen^
kräftig, simpel und erhaben zugleich; aber dem Boden des beson-
deren Ereignisses wird er ihn entrücken müssen, um ihn aus das
höhere Piedestal monumentaler Würde zu erheben.

Prag.
Am 13. November um 11 Uhr Mittags ging die feierliche
Enthüllung des Radetzky-Monumentes in Gegenwart II. MM.
des Kaisers und der Kaiserin vor sich. Die Tribünen waren schon
vor dieser Stunde zum großen Theil von Damen in glanzvoller
Toilette erfüllt. Hinter denselben befanden sich die Herren; der Raum
in der Nähe des Denkmals selbst war von k. k. Generalen und
hohen Offizieren eingenommen. In der Tiefe des Kleinseitner
Ringes, auf dessen südlicher Seite das Monument steht, dann
auf dem Stephansplatz hatten die k. k. Truppen Stellung genom-
men. Unter denselben befand sich, auch eine Division Radetzky-
Husaren. Kurz vor 11 Uhr erschienen die Erzherzoge Albrecht^
Ernst und Joseph und begaben sich in die Nähe des kaiserlichen
Zeltes; nun trafen Ihre kaiserlichen Majestäten ein und wurden
von den Anwesenden auf das Ehrerbietigste begrüßt. Se. k. k^
Majestät in Feldmarschall-Uniform trat in das aus das Präch-
tigste decorirte Zelt vor dem Denkmal, während I. Maj. die
Kaiserin sich mit Allerhöchstihren Hofdamen in die zur Rechten
befindliche, mit rothem Sammet und Damast ausgeschlagene Loge
begab. Die zur Linken angebrachte Loge blieb leer. Se. ExcelU
der Präsident des Ausschusses, Graf Erwein Nostitz, hielt nun
eine kurze Ansprache an Se. k. k. Majestät und bat um die Erlaubniß,
das Denkmal durch Einhändigung der Widmungsurkunde an den
Bürgermeister übergeben zu dürfen. Nachdem Se. Majestät dies
gestattet, wurde die Widmungs-Urkunde vorgelesen und von dem
Bürgermeister vr. Wanka übernommen. Auf die Bitte des Prä-
sidenten des Ausschusses, welcher seine Rede mit einem Hoch aus
Ihre Majestäten schloß, in das alle Anwesenden begeistert^ ein-
stimmten, ward von Sr. Maj. dem Kaiser die Erlaubniß zur
Enthüllung des Monuments gegeben. Unter dem Donner der
Geschütze und den Dechargen der Truppen fiel die Verhüllung
und das Denkmal zeigte sich in vollem Glanze. Se. Majestät
geruhten nun das Monument zu besichtigen und an die bei seiner
Ausführung thätig gewesenen Künstler und Werkmeister huldvolle
Worte zu richten. Hierauf erfolgte durch Se. Maj. den Kaiser,
die Erzherzoge und die anwesenden Notabilitäten die Unterzeich-
nung des Gedenkblattes. Die Feier schloß mit der Truppen-
defilirung vor Sr. k. k. Majestät. — Das Denkmal entstand
auf Anregung des böhmischen Kunstvereins. Der kais. Hof ließ
dem Unternehmen höchst bedeutende Beisteuern zukommen; Se.
Maj. wies zum Gusse der Statue 100 Centner Metall von er-
 
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