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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 31.1912-1913

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Biermann, Georg: Jubiläums-Ausstellung Eugen Bracht: Darmstadt, Juli-Mitte Oktober 1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.7010#0019

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Jubiläums-Ausstellung Eugen Bracht.

schiedene, ja man möchte sagen, diametral ent-
gegengesetzte Tendenzen, in denen viel von
dem wiederkehrt, was bisher überhaupt das
Merkmal der deutschen Landschaftsmaler ge-
wesen ist, die vor ihm und mit ihm ihr beson-
deres Verhältnis zur Natur gesucht haben. War
es auf der einen Seite ein Verlangen nach sach-
licher Ehrlichkeit, das besonders für die Arbeiten
bis etwa um 1880 charakteristisch ist, so über-
wiegt in der zweiten, mittleren Periode unzwei-
deutig ein starker Zug von Romantik, der die
Arbeiten des Meisters künstlich ins Monumental-
Dekorative steigert und den Maler bewußt
von der Natur auf Kosten der Phantasie ab-
rücken läßt. Diese von einem nicht immer
geläuterten Geschmack des großen Publikums
getragenen Schilderungen des Hochgebirges und
des Orientes, die sich von dem Verlangen un-
serer Zeit desto mehr entfernen, je deutlicher
man in ihnen ein Stück von der Seele Calames
wiederentdeckt und das Versagen des wahrhaft
Artistischen auf Kosten billiger Effektwirkungen
bemerkt, berühren sich in nichts mehr mit den
großartigen Schöpfungen der ersten Epoche,
als der junge Landschafter auf dem besten

Wege war, ein deutscher Corot zu werden. Es
ist geradezu überraschend zu sehen, wie Bracht
in seinen Anfängen z. B. versucht hat, das
Wesen des Impressionismus zu ergründen, wie
Arbeiten vom Schlage der „Ahlbecker Fischer"
vom Jahre 1870 oder selbst Werke, die wie der
„Eichwald bei Schwanheim" oder die „Italie-
nische Landstraße", die rund zehn Jahre früher
entstanden sind, voll des ursprünglichsten Ein-
fühlens in die Natur erscheinen, wie sich hier
die Empfindung zu den feinsten malerischen
Akkorden verdichtet und sich selbst die zarten
Konturen der zeichnerischen Komposition
im Ton, in der harmonischen Gesamtwir-
kung auflösen. Diese Bilder könnten in un-
seren Tagen entstanden sein, und sie würden
ihren Platz auch in einer noch so modernen,
von Qualität ausgezeichneten Ausstellung be-
haupten, weil sie von Werten getragen sind,
die allen guten Schöpfungen echter malerischen
Kunst innewohnen. Denn solange Bracht von
jener naiven Sehnsucht seiner Frühzeit erfüllt
gewesen ist, die dem Romantiker noch keinen
Raum gab, der sich später erst an den bunten
Phantasmagorien fremder Länder entzündete,

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