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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 31.1912-1913

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A. R.-R.: Ausstellung für kirchliche Kunst im österr. Museum
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https://doi.org/10.11588/diglit.7010#0259

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AUSSTELLUNG FÜR KIRCHLICHE KUNST IM ÖSTERR. MUSEUM.

In einer vor just 25 Jahren unter dem Titel
„Unsere Kunstpflege!" erschienenen Bro-
schüre klagt Prof. Julius Deininger: „Künst-
lerisches Empfinden, den Sinn für das Schöne
zu wecken, sollte längst eine der ersten Auf-
gaben der Erziehung sein. Die katholische
Kirche hatte, als sie auf dem Höhepunkt ihrer
Macht stand, alle Künste um sich versammelt
und fast alleinherrschend in ihre Dienste ge-
nommen. Nicht nur, wie ihre Gegner sagen,
um die Sinne zu betören, den Verstand zu be-
täuben, sondern gewiß auch, um durch die
Macht des Schönen die Leidenschaften des
Menschen zu zähmen, seine Begierden zu ver-
edeln und auf ein reineres Ziel zu lenken. Die
Kirche erfüllt längst diese hohe Mission nicht
mehr, ihr ist das Verständnis für die Kunst und
für ihre sittliche Bedeutung mehr und mehr ver-
loren gegangen". Es ist, seitdem diese Klage
ertönte, in mancher Beziehung besser geworden,
im besonderen aber, was das Verhältnis der
Kirche zur Kunst betrifft, leider nicht. Dies
gibt gleich der erste Satz des Vorwortes zum
Katalog der Ausstellung für kirchliche Kunst
im „Osterreichischen Museum für Kunst und
Industrie" zu, in dem es unter anderem heißt,
daß „sich im Verlaufe der letzten Generationen
auch in der kirchlichen Kunst eine bedauerliche

Entfremdung zwischen den Bestellern und den
Ausführenden geltend gemacht hat". Die Schuld
an der unleugbaren Tatsache der Entfremdung
zwischen Künstler und Kunsthandwerker einer-
seits und dem Klerus andererseits wird von
dem anonymen Verfasser, für den das „geschäfts-
führende Komitee der Ausstellung" unterzeich-
net, unverblümt dem Klerus selbst beigemessen,
dem unter anderem „Mangel an verständnis-
voller Beschäftigung mit den Werken der Kunst,
— Erlahmen der inneren Teilnahme am Ent-
stehen des Werkes, — Vernachlässigung pflicht-
gemäßer Obsorge" und dergleichem mehr zum
Vorwurf gemacht wird. Soweit kann man sich
mit den Ausführungen, als zutreffenden, gern
einverstanden erklären, der daran anschließend
zum Ausdruck gebrachten Hoffnung, „ die künst-
lerischen Kreise, die durch die Seltenheit der
Beschäftigung mit kirchlichen Aufgaben diesen
vielfach nicht mit genügendem Verständnisse
für die besonderen Forderungen gegenüber-
stehen, und die Kreise des Klerus, die von der
Möglichkeit einer guten kirchlichen Kunst auch
in unseren Tagen nicht immer die richtige Vor-
stellung haben, auf diesem Wege (d. h. durch
die Ausstellung) einander wieder näher zu
bringen", wird man sich jedoch wahrscheinlich
einigermaßen skeptisch gegenüber verhalten.

1912/13. III. 4.

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