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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 31.1912-1913

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Corwegh, Robert: Sascha Schneider, Florenz
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https://doi.org/10.11588/diglit.7010#0239

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SASCHA SCHNEIDER-AUSSTELLUNG IN DER GALERIE ERNST ARNOLD IN DRESDEN. OKTOBER—NOVEMBER 1912.

SASCHA SCHNEIDER-FLORENZ.

I "s ist eine wohl beobachtete, aber nicht ge-

J_j nügend betonte Tatsache, daß, bei der

Parallelität aller geistigen und künstlerischen
Bewegungen, in Deutschland die Literatur den
Schrittmacher der bildenden Kunst zu spielen
pflegt. Der Deutsche bedarf der Worte als
Leiterin seines Auges.

Seit Jahren, man kann sagen, seit Jahrzehn-
ten hat die Dichtung in Selbstbesinnung unter
der Führung Stefan Georges und seines Kreises
die strenge äußere Form wieder belebt, und
auch in der Allgemeinheit hat das Versdrama
Eingang und neuen Beifall gefunden. Daß
George sich bei dieser Reorganisation der Dich-
tung der italienischen Form, des Sonetts, be-
diente, dürfte kein Zufall sein. Immer ist deut-
sche Kunst zu ihrer höchsten Höhe geschrit-
ten, wenn Helena mit Faust sich vermählte,
deutscher Geist in griechische Form sich band.

„Ringe, Deutscher, nach römischer Kraft,
nach griechischer Schönheit!

Beides gelang Dir, doch nie glückte der
gallische Sprung." (Schiller.)

Wenn in allen Sezessionsausstellungen seit
einigen Jahren Gemälde von Hodler, Egger-
Lienz und wenigen anderen so bedeutend auf-
fielen, wenn sie für viele eine Erholung und

innere Beruhigung wurden, war es nicht die
strengere Formung gegenüber den anderen
Bildern, die hier fesselte und die heitere Ruhe
edlerer Kunst spendete?

Diese Kunst greift, wie die Dichtung unter
Stefan George schon lange vorher getan hat,
auf die Zeit zurück, da das Helenadrama im
Faust geschaffen wurde, sie schließt sich be-
wußt an die Epoche an, da ein Genelli sagen
konnte: „Der Fisch gehört ins Wasser, der
Künstler nach Rom".

Wer von Carstens und Genelli herkommt,
der wird den Weg zu der neuen Richtung finden,
als deren Vorkämpfer nach seinen jüngsten
Werken sich Sascha Schneider betrachten darf.

Als symbolisches Bild dieses Kunstwollens
kann Genellis Zeichnung (Tafel 16. Aus dem
Leben eines Künstlers) gelten, wo dieser nackte
Heide mit Begeisterung Verse der Ilias rezitiert
und den Besucher nicht merkt, der sein Jesuiten-
gesicht voll staunendem Schrecken zur Türe
hereinsteckt.

Diese neue Tendenz in dem Schaffen Schnei-
ders kommt für den intimeren Kenner seiner
Kunst nicht unerwartet. Wer den Künstler seit
Jahren aufmerksam beobachtete, wer seiner stets
anregenden Unterhaltung einmal folgen durfte,

1912 13. III. 2.

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