Wem gehört die Stadt?
RAMON DE ZUBIAURRE MADRID.
»EIN FESTTAG IN GARAY«
also gar nicht mehr um den „Graben", dem ja
auch bereits die wundervollen Paläste seiner
melancholischen Zubringer, der melodisch ge-
wundenen Seitengassen, vom geschändeten
Leib gerissen werden, es handelt sich darum,
ob es wahr ist, daß sich, wenn Wien zerstört
wird, die Künstler nicht einzumischen
hätten.
Es bleibt ja leider ein meist aussichts- und
ergebnisloses, ein ideales Unternehmen, wenn
sie's tun. Aber sie können's einmal nicht
lassen, und nun sollen sie's nicht einmal mehr
dürfen, die armen Narren der besseren, das
ist natürlicherweise der schwächeren Über-
zeugung? Ich meine , nicht nur diese weni-
gen Rufer in der Wüste dürften's, sondern
es müßte ihr uneigennütziges, ihr dankens-
wertes , ihr mutiges Auftreten für die Sache
Wiens ein Echo wecken , das nicht verhallte.
Ich wiederhole, es handelt sich hier garnicht
um den „Graben", dieses armselige Zerrbild
einstiger Schönheit, es handelt sich nicht darum,
was für Gründe für das Aufreißen seiner Platz-
wand „freigewählte Männer" sich nicht bereden
lassen mögen, es handelt sich darum, ob Wien
als eine zwar längst brüchige, aber doch noch
nicht verendete sinnfällige Vorstellung
den Wienern gehört oder den Hausherren.
Man sollte denken, daß darauf Wien selbst
seinen „Vertretern" die Antwort auch ohne die
Künstler nicht schuldig bleiben könnte.
Dürfen Hausherren eine Stadt auf ihre Fasson
erneuern? Es ist geschehen. Es geschieht
täglich um uns herum —- man wagt es, selbst
in seine Rebengelände, dort, wo noch in alten
Gärten selige weiße und gelbe Alt-Wiener
Träume dauern, Schandgreuel baumeister-
lichen Stumpfsinns zu verpflanzen — aber
darf das wirklich sein? Nein! Erzwingen
müßte, wenn schon die Theorie versagt, die
Norm mangelt, der ungeduldige Unmut der
von diesem Unfug Betroffenen, durch ihn
schwer, an der Seele Geschädigten eine
andere, eine der Tradition, der Geschichte Wiens
würdige Praxis. Glaubt dieses scheinbar teil-
nahmslose, aber sehr beteiligte Publikum, daß,
wenn es schon selbst geblendet ist vom After-
tum seiner gottverlassenen Ära, seinem Nach-
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RAMON DE ZUBIAURRE MADRID.
»EIN FESTTAG IN GARAY«
also gar nicht mehr um den „Graben", dem ja
auch bereits die wundervollen Paläste seiner
melancholischen Zubringer, der melodisch ge-
wundenen Seitengassen, vom geschändeten
Leib gerissen werden, es handelt sich darum,
ob es wahr ist, daß sich, wenn Wien zerstört
wird, die Künstler nicht einzumischen
hätten.
Es bleibt ja leider ein meist aussichts- und
ergebnisloses, ein ideales Unternehmen, wenn
sie's tun. Aber sie können's einmal nicht
lassen, und nun sollen sie's nicht einmal mehr
dürfen, die armen Narren der besseren, das
ist natürlicherweise der schwächeren Über-
zeugung? Ich meine , nicht nur diese weni-
gen Rufer in der Wüste dürften's, sondern
es müßte ihr uneigennütziges, ihr dankens-
wertes , ihr mutiges Auftreten für die Sache
Wiens ein Echo wecken , das nicht verhallte.
Ich wiederhole, es handelt sich hier garnicht
um den „Graben", dieses armselige Zerrbild
einstiger Schönheit, es handelt sich nicht darum,
was für Gründe für das Aufreißen seiner Platz-
wand „freigewählte Männer" sich nicht bereden
lassen mögen, es handelt sich darum, ob Wien
als eine zwar längst brüchige, aber doch noch
nicht verendete sinnfällige Vorstellung
den Wienern gehört oder den Hausherren.
Man sollte denken, daß darauf Wien selbst
seinen „Vertretern" die Antwort auch ohne die
Künstler nicht schuldig bleiben könnte.
Dürfen Hausherren eine Stadt auf ihre Fasson
erneuern? Es ist geschehen. Es geschieht
täglich um uns herum —- man wagt es, selbst
in seine Rebengelände, dort, wo noch in alten
Gärten selige weiße und gelbe Alt-Wiener
Träume dauern, Schandgreuel baumeister-
lichen Stumpfsinns zu verpflanzen — aber
darf das wirklich sein? Nein! Erzwingen
müßte, wenn schon die Theorie versagt, die
Norm mangelt, der ungeduldige Unmut der
von diesem Unfug Betroffenen, durch ihn
schwer, an der Seele Geschädigten eine
andere, eine der Tradition, der Geschichte Wiens
würdige Praxis. Glaubt dieses scheinbar teil-
nahmslose, aber sehr beteiligte Publikum, daß,
wenn es schon selbst geblendet ist vom After-
tum seiner gottverlassenen Ära, seinem Nach-
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