Die Ausstellung im österreichischen Museum.
IDA SCHWETZ-LEHMANN—WIEN.
ist, um so mehr die Schüler in seinen Bann
schlägt, daß sie sich ihm zu sehr anpassen, zu
viel seiner Art annehmen. Ich glaube aber, es
ist kein Grund, sich darüber zu grämen. Denn
der hochstehende Durchschnitt scheint mir
wichtiger zu sein als die exzellente Einzel-
leistung. Österreich war schon zu lange nur
das Land hervorragender Einzelleistungen. Es
war Zeit, daß wir daran dachten, den Durch-
schnitt zu heben. An der heutigen Leistungs-
fähigkeit des österreichischen Kunstgewerbes
haben außer den großen Kunstgewerbeschulen
vor allem die Fachschulen einen erheblichen
Teil des Verdienstes. Denn gerade sie bilden
wirkliche Kunstgewerbetreibende heran, die
keinen anderen Ehrgeiz haben, als vollgültige
Handwerker zu sein. Der Aufschwung der
österreichischen Fachschulen aber begann mit
dem Einzug des modernen Gedankens. Was
sie ihre Schüler lehren, ist vor allem eines: im
Material zu denken, aus dem Material
heraus zu schaffen.
GRÖSSE IM KLEINEN. Kürzlich las ich
irgendwo: Geschmack ohne schöpferische Kraft
AUSK : KERAMISCHE WEKKGEXOSSENSC HAK l .
ist Kunstgewerbe. Wie unwahr das ist, läßt
sich am besten an kleingewerblichen Erzeug-
nissen erkennen, von denen dieses Heft eine
große Zahl wiedergibt, die in Form und Farbe,
Maß und Empfindung vollendete Kunst sind.
Keramiken gab es in dieser Ausstellung, die so
großzügig komponiert waren, so bedeutend in
der Auffassung, so ebenmäßig, daß es blinde
Torheit wäre, sie geringer zu werten, als die
Werke der sogenannten „hohen" Kunst. Es
kann in einem kunstgewerblichen Werke, in
einem Bucheinband, einer Blumenvase, einem
Schmuckstück mehr künstlerischer Einfall,
künstlerische Größe stecken, als in manchen
Riesenschinken, in Öl auf Leinewand gepinselt.
Es mag wahr sein, daß der große Künstler
für die Ewigkeit schafft, der Kunstgewerbler
nur für den Tag. Wir Alltagsmenschen in un-
serer Schwäche aber empfinden die Bedürfnisse
des Tages stärker, als die Bedürfnisse der
Ewigkeit. Jene gilt es zuerst zu befriedigen.
Deshalb wird ein kraftvolles Kunstgewerbe
immer der beste Nährboden sein und bleiben
für eine große Kunst. — fraxz planer.
1912/13. \ 11.
93
IDA SCHWETZ-LEHMANN—WIEN.
ist, um so mehr die Schüler in seinen Bann
schlägt, daß sie sich ihm zu sehr anpassen, zu
viel seiner Art annehmen. Ich glaube aber, es
ist kein Grund, sich darüber zu grämen. Denn
der hochstehende Durchschnitt scheint mir
wichtiger zu sein als die exzellente Einzel-
leistung. Österreich war schon zu lange nur
das Land hervorragender Einzelleistungen. Es
war Zeit, daß wir daran dachten, den Durch-
schnitt zu heben. An der heutigen Leistungs-
fähigkeit des österreichischen Kunstgewerbes
haben außer den großen Kunstgewerbeschulen
vor allem die Fachschulen einen erheblichen
Teil des Verdienstes. Denn gerade sie bilden
wirkliche Kunstgewerbetreibende heran, die
keinen anderen Ehrgeiz haben, als vollgültige
Handwerker zu sein. Der Aufschwung der
österreichischen Fachschulen aber begann mit
dem Einzug des modernen Gedankens. Was
sie ihre Schüler lehren, ist vor allem eines: im
Material zu denken, aus dem Material
heraus zu schaffen.
GRÖSSE IM KLEINEN. Kürzlich las ich
irgendwo: Geschmack ohne schöpferische Kraft
AUSK : KERAMISCHE WEKKGEXOSSENSC HAK l .
ist Kunstgewerbe. Wie unwahr das ist, läßt
sich am besten an kleingewerblichen Erzeug-
nissen erkennen, von denen dieses Heft eine
große Zahl wiedergibt, die in Form und Farbe,
Maß und Empfindung vollendete Kunst sind.
Keramiken gab es in dieser Ausstellung, die so
großzügig komponiert waren, so bedeutend in
der Auffassung, so ebenmäßig, daß es blinde
Torheit wäre, sie geringer zu werten, als die
Werke der sogenannten „hohen" Kunst. Es
kann in einem kunstgewerblichen Werke, in
einem Bucheinband, einer Blumenvase, einem
Schmuckstück mehr künstlerischer Einfall,
künstlerische Größe stecken, als in manchen
Riesenschinken, in Öl auf Leinewand gepinselt.
Es mag wahr sein, daß der große Künstler
für die Ewigkeit schafft, der Kunstgewerbler
nur für den Tag. Wir Alltagsmenschen in un-
serer Schwäche aber empfinden die Bedürfnisse
des Tages stärker, als die Bedürfnisse der
Ewigkeit. Jene gilt es zuerst zu befriedigen.
Deshalb wird ein kraftvolles Kunstgewerbe
immer der beste Nährboden sein und bleiben
für eine große Kunst. — fraxz planer.
1912/13. \ 11.
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