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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 31.1912-1913

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Ostini, Fritz von: Neue Arbeiten von Charles Tooby
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https://doi.org/10.11588/diglit.7010#0176

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ATeue Arbeiten von Charles Tooby.

Wie er das Gefieder eines toten Adlers,
Falken oder Reihers oder delikat gefärbter
kleiner Singvögel, den glatten, schimmern-
den Haarsammet wohlgepflegter Rinder, den
rauhweichen Pelz eines Fuchses oder Neufund-
länders, das kurze, feste Grannenhaar eines
Löwen, das glatte Prunkfell des Tigers, die Decke
eines Rehbocks malt, immer flott und zugig blei-
bend und doch fast mit „zoologischer" Sach-
lichkeit — das setzt ein erstaunliches Maß an
malerischem Können und Schulung des Auges
voraus. Er schildert aber auch mit gleich einfach-
sicheren Mitteln das Spiel des Lichts über den
Tieren in freier Luft oder die verwickelten Be-
leuchtungsverhältnisse im dunklen oder hellen
Stall, gibt Stimmungslandschaften von nobler
Ruhe und Eindringlichkeit — immer derselbe
und immer wieder neu! Man kann Tooby ver-
stehen oder nicht verstehen, kann ihn aner-
kennen oder grundsätzlich anderer Meinung
sein, meinetwegen — nur eins kann man nicht:
an seiner Malerei irgend eine Unwahrhaftigkeit,
eine Absicht entdecken, die nicht reinkünstle-
rische Ziele verfolgt. Und ebensowenig eine
Inkongruenz zwischen Wollen und Können.

Charles Tooby ist in England geboren — 1863
in London. Er wuchs in Surrey auf dem Lande
auf. Im Alter von sieben oder acht Jahren
stürzte er so unglücklich, daß er drei Jahre
liegen mußte, und über diese Zeit half ihm die
Lust zum Zeichnen hinweg, die von seiner
künstlerisch veranlagten Mutter verständnisvoll
gepflegt wurde. Was er zeichnete, waren Kühe
und Stiere, Pferde, Geflügel, kurz, was er an
Haustieren zu sehen bekam. Sein Vater war
kurz nach der Geburt des Knaben gestorben
und mag wohl auch kein alltäglicher Geist ge-
wesen sein. Er war Gründer des Savage-Klubs,
eines der originellsten Londoner Klubs, der
besonders von Künstlern frequentiert wird. —
Mit 18 Jahren trat Charles Tooby als Clerk
in die Bank von England ein und hatte hier
bald Aussicht auf ein glänzendes Vorwärts-
kommen gewonnen. Die Arbeit in der Bank
aber war ihm so widerwärtig, daß er auf alle
jene schönen Aussichten verzichtete und nach
zweijährigem Martyrium auf den Rat eines deut-
schen Freundes nach Dresden ging, um Maler
zu werden. Der pedantische Betrieb auf der
dortigen Akademie sagte ihm freilich wenig zu.
Das widersprach seiner künstlerischen Natur
ganz so, wie die Arbeit im Bankkontor. Statt
ein braver Akademieschüler zu werden, ar-
beitete er denn auch von früh bis spät im Zoo-
logischen Garten, und was er dort von den
mannigfachen Modellen aus aller Herren Län-
dern geschaffen hatte, verschaffte ihm dann die

Aufnahme in die Schule des Professors A. Bren-
del in Weimar. Ein Jahr später hatte er dort
die Medaille für Tiermalerei und ein eigenes
Atelier bekommen.

Von Weimar aus begab sich Tooby nach seiner
englischen Heimat, heiratete dort und übersie-
delte dann für immer nach München. Er hat frei-
lich noch mehrmals vorübergehenden Aufenthalt
in England genommen und dort u. a. das von der
Münchner Pinakothek angekaufte Bild „Nach
dem Regen", später die prachtvolle Landschaft
„Wind und Sonne" gemalt, die von der Se-
zessionsgalerie erworben wurde. So reich be-
fruchtend die Eindrücke der Heimat aber auch
immer wieder auf ihn wirkten, als Maler dürfen
und müssen wir ihn zu den Unsrigen zählen.
Seine Malerei ist zu vollsäftig gesund, sein Tem-
perament zu wenig gebändigt durch Überliefe-
rung und Konvention, um für englisch zu gelten.
Die herbsinnliche Lebendigkeit seiner Darstel-
lung, die Wucht seines Vortrags entspricht unend-
lich viel besser dem deutschen Ideal, d. h. dem
Ideal, das die guten deutschen Maler hatten, ehe
es in Deutschland Mode wurde, französisch zu
empfinden. Zwei Namen, die hieher gehören,
wurden schon genannt, das FreundespaarSchuch
und Hagemeister. Tooby hat den ersteren wohl,
wie wir alle, relativ spät kennen gelernt, den
letzteren — ebenfalls wie „wir alle!" — ver-
mutlich erst im letzten Jahr — aber seine Kunst
steht so ziemlich auf dem gleichen Boden wie
die der beiden. Auch sein Verhältnis zum Still-
leben, das wohl auch für ihn Übungsgebiet und
Vorstufe ist, scheint mir ähnlich wie bei Schuch.
Nur stellt Schuch sich das Problem absolut ko-
loristisch, während Tooby — wie auch Hage-
meister, wenn er Wild malt — dazu noch seine
Freude an gegenständlich treuer Wiedergabe
der Objekte, der toten Tiere, hat.

Ganz so undankbar wie gegen diese beiden
war nun freilich die Mitwelt gegen Charles Tooby
nicht. Er hat seinen Erfolg noch erlebt, ehe er
fünfzig Jahre alt geworden, und es steht zu
hoffen, daß es hiermit noch stetig aufwärts geht.
Außer den genannten Münchner Sammlungen
besitzen auch die Galerien von Weimar und
Hannover, der Prinzregent von Bayern und zahl-
reiche Privatsammler Bilder von Tooby. Ja, es
gibt deren, die ihn speziell „sammeln". So fest
begründete Qualitäten, so echte und blanke
Künstlerschaft müssen schließlich den Wider-
stand der stumpfen Welt besiegen. Nicht so weit
vielleicht, daß Tooby einmal populär wird, aber
so weit, daß für die Urteilsfähigen feststeht: was
er uns schenkte, gehört zu den wertvollsten und
echtesten Schöpfungen der Kunst seinerZeit und
muß dauern für die Zukunft! — f. v. o.

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