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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 31.1912-1913

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Widmer, Karl: Das Problem des Denkmals
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https://doi.org/10.11588/diglit.7010#0203

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Das Problem des Denkmals.

Kirchen und Kapellen,
Altäre, Heiligenbilder
usw. Ebenso war die
Bildnisplastik als ei-
gentliche Grabmals-
kunst mit dem Kul-
tusbedürfnis eng ver-
wachsen. — Den mo-
dernen Begriff des
Denkmals — das öf-
fentliche Standbild als
Dokument des Ruhms
— hat die Renais-
sance in die Kultur
der Neuzeit einge-
führt. Seitdem ist die
Denkmalsplastik für
die Bildhauerei die
wichtigste Monumen-
tal-Aufgabe gewor-
den. Sie ist freie
Kunst im modernen
Sinn des Wortes; blieb
aber als solche den
großen und außerge-
wöhnlichen Aufgaben
vorbehalten, wie sie
der monumentale
Ruhmsinn kunstsinni-
ger Fürsten und Repu-
bliken den größten
Künstlern ihrer Zeit
stellte. — Daneben
blieben, namentlich für
die eigentlich volks-
tümlichen Bedürfnisse
der Denkmalskunst im
weiteren Sinne jene
mittelalterlichen For-
men fortbestehen: in
katholischen Gegen-
den haben sie sich ja
bis auf den heutigen
Tag erhalten, wenn
auch verkümmert und
erstarrt und für die
lebendige Kunstent-
wicklung unfruchtbar
geworden. — So lange
diese Formen aber
noch lebendig waren,
lag in ihnen für die
Kunst eine der stärk-
sten Wurzeln ihrer
Lebenskraft. Sie stell-
ten ihr Aufgaben, die
aus dem wirklichen

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ARCHITEKT A. ü. HOLUK WIEN. WANDRELIEF IN STUCK.
STUHL M. GESTICKTEM POLSTER U. GESCHNITZTER LEHNE.

Bedürfnis des Volks-
lebens hervorgegan-
gen waren. Damit
verhinderten sie eine
unfruchtbare Einsei-
tigkeit der Kunstbetä-
tigung und eine unge-
sunde Überspannung
der Leistungskräfte:
sie entlasteten die
hohe Kunst und gaben
dem Handwerk, was
des Handwerks ist. —
In demselben Maße,
wie aber die Religion
aufhörte, die umfas-
sende Grundlage der
gesamten Volkskultur
zu sein, mußten diese
Formen absterben.
Die Denkmalskunst
verlor damit den na-
türlichen Nährboden
für eine vielseitige
und formenreiche Fort-
entwicklung. Für alle
ihre Bedürfnisse fort-
an auf das einzige
Schema der abstrak-
ten Standbildplastik
angewiesen, verküm-
merte sie schließlich
in der ewigen Wie-
derholung einer und
derselben Aufgabe.
Die Kunstform, in der
die Denkmalskunst
einst ihre höchsten
Leistungen hervorge-
bracht hatte, verlor,
in Tausenden von un-
berufenen Händen
mißbraucht und abge-
nutzt, immer mehr
von ihrem Kulturwert.
—- So lautet denn die
Grundfrage, die fürdas
Problem des modernen
Denkmals entschei-
dend ist, so: machen
es die Bedingungen der
modernen Kultur wahr-
scheinlich, daß sich die
Denkmalskunst wieder
von dem einseitigen
Bann dieser abstrak-
tenKunstform befreit?

1912/13. II. 8.

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