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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 31.1912-1913

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Breuer, Robert: Der Edelschmied
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https://doi.org/10.11588/diglit.7010#0216

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Der Edelschmied.

DER EDELSCHMIED.
Jedesmal, wenn man
mir die Arbeiten eines mo-
dernen Edelschmiedes zeigt,
bin ich verwundert; darüber
nämlich, daß es so etwas
wiedergibt. Ich weiß natür-
lich: Hoffmann in Wien,
Lettre in Berlin, Riegel in
Darmstadt, Lalique in Paris
und vielleicht noch vier oder
fünf der gleichen Wesensart.
Aber ich weiß auch, daß zum
Exempel allein in Pforzheim,
dieser einen Zentrale der
deutschen Bijouterie - Indu-
strie , dreißigtausend Men-
schen arbeiten und dabei
täglich für 120—150 000
Mark Gold verformen. Und
schließlich: ich kenne das,
was diese Tausende tagaus,
tagein produzieren; man
kann es in allen Großstädten
der Welt zu sehen bekom-
men , in Frankfurt wie in
Paris, aber auch in Buenos-
Aires oder sonstwo bei den
Halbbarbaren. Diese Inter-
nationalität der Massenhaf-
tigkeit mit dem Troß der
Maschinen, der Händler und
der Modezeichner haben den
Edelschmied verdrängt. Sie
scheinen für immer dahin,
die Zeiten, deren wenige
Zeugen sich köstlich und
gleißend in die Museen ge-
rettet haben. Ägypten, My-
kenä, Hellas, gotische Kel-
che, Becher und Geschmeide
aus den frohen Tagen der
Renaissance, die Tabatieren
des Rokoko und selbst, wenn
auch schon ein wenig mager,
die Broschen und Armbän-
der der Biedermeierdamen:
das war die rassige Bele-
bung, die musikalische Be-
seelung des Goldes, des Sil-
bers und der Gesteine. Da-
mals arbeiteten die Edel-
schmiede für die Könige und
für die Götter; heute besteht
die Kundschaft aus Bar-
damen und Börsenjobbern,
Ringkämpfern und Negerin-

ALFONS UNCiERER. RING UND BROSCHE
IN GOLD MTT SMARAGD UND PERLEN.

alfons ungerer—berlin. brosche uni)
anhänger uv gold und perlen.

nen. An solchen klobigen
Tatsachen sind die zärt-
lichen Schönheiten der ver-
liebten Edelschmiede zu-
grunde gegangen. Die we-
nigen, die heute hier und da
neu versuchen, das Gold zu
hämmern und das Silber zu
treiben nach eigner Melodie
für leicht beschwingte Sinne,
sind uns darum liebe Gesel-
len, die wir zu uns laden,
selbst, wenn sie erst tastend
suchen, was wir ahnend be-
gehren. Uns kränkt die Kor-
rektheit der Stanze, die
Langweile der Schablone,
die Härte des mechanischen
Druckes. Wir möchten spü-
ren, wie die Hand auf dem
Metall und in es hinein ihre
Empfindungen spielte; wir
möchten sehen, wie es sich
unter den achtsamen Schlä-
gen des Meißels dehnte
und bog, wie es das Sprin-
gen und Atmen lernte. Wir
möchten aus den flimmern-
den Spuren das Antlitz des
Werkzeuges kennen lernen,
ob es spitz oder stumpf,
schmal oder breit war;
möchten den Dialog sol-
cher Werkzeuge belauschen.
Möchten dann sehen, wie
hier goldene Drähte gefloch-
ten, dort silberne Kugeln
aufgelötet wurden, wie
Steine ihre Umarmung, und
Perlen ihr Bett empfingen.
Wir sind inzwischen so be-
scheiden geworden, daß es
uns schon freut, wenn wir
auch nur ein Zipfelchen solch
wahrer Art des Edelschmie-
des zu fassen bekommen.
Diesmal ist es immerhin
mehr. Alfons Ungerer, von
dem wir hier einige Arbeiten
zeigen, ist zwar noch ein
Anfangender, doch beschert
er uns bereits etwas von
jenem Spiel der Hand und
jenem Dialog der Werk-
zeuge , davon wir sagten:
daß sie das wahre Bijou der
Bijouterie seien, r. kreuer.

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