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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 31.1912-1913

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Storck, Willy F.: Maler Hans Brühlmann, Stuttgart: (1878-1911)
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https://doi.org/10.11588/diglit.7010#0231

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Maler Hans Brühlmann.

Türbogen der Erlöserkirche zu Stuttgart (1908),
klingt der feierlich-gemessene Ton klassisch-
primitiver Formensprache mächtig weiter. Ein
neuer Auftrag stand dem Künstler bevor: in
der Halle des Züricher Kunsthauses sollte er
— Schweizer von Geburt — große Figuren-
darstellungen schaffen. Seine unheilbare Krank-
heit nahm ihm den Pinsel aus der Hand, und
ließ ihn nicht über einige Vorarbeiten und Vor-
studien hinauskommen. In ihnen aber offen-
bart sich des Künstlers Wesen und Eigenart
fast am reinsten und größten.

Schon in Stuttgarter Lehrjahren hatte er der
seelenvollen Durchbildung der Figuren und Akte
seine Kraft zugewandt, und seine reifsten Ar-
beiten zeigen eine Entrücktheit aus der Sphäre
des Ateliers, die ihnen eine ganz bestimmte
feierliche Note verleiht. Die Vorstudien für das
Züricher Kunsthaus sprechen die eindringlichste
Sprache: die Schlafende, das Mädchen im Profil,
der Frauenakt mit Äpfeln und ein sitzender Akt,
alle 1909 entstanden. Die Gesetzmäßigkeit des
inneren Organismus ist in einem klaren, ein-
heitlichen Aufbau gekennzeichnet; der organi-
sche Zusammenhang der Körper mit sicherer
Präzision durchgebildet. Linien und Farben
klingen harmonisch zu einem Ganzen zusammen.
Das konstruktive Gerüst ist nicht aufdring-
lich, sondern malerisch gebändigt. Lebendigste
Schöpferkraft sprüht uns entgegen. Es ist präch-

tig zu sehen, wie die Körper sich über die
Fläche ausbreiten, den Raum füllen, ja fast den
Rahmen zu sprengen scheinen in ihrer inneren
und gefestigten Großheit. Eine malerische Be-
reicherung erfahren sie durch die Tücher, die
in rauschenden Wogen die Formen der Körper
umgleiten, durch die duftig gemalten Teppiche,
durch Früchte und sonstige Akzidenzien male-
rischer Art. Das letzte Werk des Künstlers,
die Wasserschöpferin, ist ganz Linie und Farbe
in harmonischem Gleichklang.

In einigen kleineren Bildern (vergl. Abb.
Seite 222), Farbskizzen und Studien werden
Bewegungsprobleme malerisch und linear gelöst.
Landschaftliche Details ordnen sich der Kompo-
sition unter und stützen sie in ihrer Gefügtheit.
Menschen und Natur sind in eine Einheit
gebunden, der Sphäre des Alltags entrückt
worden; in erhabenem Rhythmus klingen sie
zusammen. Wohl spricht der Geist Marees' und
Cezannes aus manchen dieser Figuren-Skizzen
unverkennbar, und doch schlummern in ihnen
Ahnungen zu großen Kompositionen, die noch
viel für die Zukunft versprechen ließen. Sie
atmen alle ein hohes persönliches Gefühl für
Rhythmus, Einfachheit und Größe.

Allzufrüh starb der begabte Künstler, kaum
33 Jahre alt, am 29. September 1911, von
tückischer Krankheit in den Tod getrieben. Am
25. Februar 1878 war er als Pfarrerssohn zu

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