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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 31.1912-1913

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Kleine Kunst-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7010#0293

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Kleine Kunst-Nachrichten.

Überraschungen handelt, das eben enthüllt die eigent-
liche Niederung. Noch immer herrschen der Maurer-
meister, das Baugeschäft und der Hypothekenschieber.
Noch immer lastet auf dem Künstler die Anmaßung
der Baubürokratie und der Verwaltungsjuristerei.
Diese Hemmungen drücken das Niveau tiefer als
es zu sein brauchte; denn es mangelt nicht an
jungen Begabungen. Nur, sie müssen zumeist
noch abseits stehen. Das war auch ihr Verhängnis
bei dem Bau des Boardinghouses; womit das
Schicksal dieser Gründung entschieden wurde. Die
an sich gesunde Idee für Leute, die keine eigene
Wohnung zu bewirtschaften wünschen, aber auch
die Unruhe des Hotels meiden möchten, eine Stätte
komfortabler Wohnlichkeit zu schaffen, wurde, echt
berlinisch, ins Maglose verzerrt. Das Ergebnis ist,
dag die Gäste all den Puft und Prunk amortisieren
müssen und also bedrohliche Rechnungen zu zahlen
haben. Ein tosender Aufwand und doch nur zwei,
drei Räume, die einige Beachtung verdienen. Eine
Bar, ein Grillroom, ein Weinrestaurant durch Fried-
mann & Weber ganz lustig und sehr farbig dekoriert.

Wesentlich günstiger steht es um den Neubau
einer Synagoge. Wenngleich sie kaum mehr als

wieder ein Beispiel für das metaphysisch begründete
Unvermögen ist, einem alten Kult ein neues Haus
zu bauen, wenngleich sie einen aus Elementen des
Romanischen, des Empire und diverser Orientalia
gemischten Eklektizismus aufweist, zeigt sie doch
immerhin einige Baugedanken. Es war zwar ver-
fehlt, solch eine unruhige Kuppel- und Giebel-
architektur in die Wand einer schmalen Strafte zu
stellen, zumal an eine Stelle, die durch einen Bahn-
übergang jäh durchschnitten wird; immerhin, in
seiner Ganzheit zeigt das Bauwerk doch, daft dieser
junge Architekt Hessel eine Hoffnung bedeutet.

Solche Hoffnung erfüllte der Architekt Liepe
(Liepe & Gerres). Er baute ein Elektrizitätswerk
und förderte damit die neue, von Behrens begründete
Tradition des modernen Fabrikbaues. Wir sehen
eine in der Masse straff gegliederte und im Detail
sorgfältig durchfühlte Backsteinarchitektur, die auch
für den farbigen Zusammenklang mit dem Tuffstein
des Sockels und der grau-violetten, die herrschenden
Linien betonenden Keramik eine sinnlich wohl-
gefällige Lösung fand. Durch dieses Elektrizitäts-
werk wurde Berlin reicher um ein Symbol der
technischen Macht und der Rhythmik unserer Zeit. —

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