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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 31.1912-1913

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Corwegh, Robert: Sascha Schneider, Florenz
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https://doi.org/10.11588/diglit.7010#0240

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Professor Sascha Schneider-Florenz.

^

I'R< iFKSSOR SASCHA SCHNEI DER—FLORENZ.

GEMÄLDE: »KNABENRIEGE« GALERIE E.ARNOLD—DRESDEN.

dem wurde bald klar, daß die mystisch-christ-
liche Einkleidung seiner Akte nur ein modisches
Kostüm war, dem sich diese Gestalten ungern
fügten. Weil Sascha Schneider ein überaus
feiner Beobachter und Menschenkenner ist,
tief gebildet, wie wenig bildende Meister, wußte
er genau, daß des Deutschen Kunstfreude über
Worte zum Blick schreitet, und er wählte geistig
anregende Zusammenhänge in seinen Gestalten,
um das Interesse der Menge für den schönen
menschlichen Körper über diese Brücke hinzu-
führen.

Kraft und Schönheit zu künden, war hierbei
sein Ziel. Auch dieses wird aus seiner inneren
Veranlagung verständlich. Jeder echte Künst-
ler ist Gestalter seiner Sehnsucht. Wer, wie
Schneider, seinen Blick für den Körper in Ring-
schulen geschärft hatte, wer, wie er, jede Minute
seiner Erholung der Erinnerung griechischer
Kunst weihte, der mußte jenes Körperideal,
jene Körperkultur der Alten sehnsuchtsvoll mit
seiner Seele suchen.

Was ein schöner Mensch ist, wissen wir im
Leben alle; warum fehlte er in unserer Kunst?

Ehe Sascha Schneider jedoch die Klarheit
im Ausdruck seines Kunstwollens erreichte,
die wir heute bewundern, mußte er den großen
Gegner in sich selbst bekämpfen. Eine Kraft-
natur, athletisch in Denken und Handeln, lag
seiner Veranlagung gewaltige Gebärde als Aus-
druck innerer und äußerer Fülle.

„Der schöne Mensch im bloßen Gefühl seiner
Existenz ohneLeidenschaf t inRuhe ist der eigent-
lichste Gegenstand der Nachahmung des bilden-
den Künstlers, und seine Nummer Eins; in dieser
Verfassung ohne alle Bekleidung liegt die reinste
Harmonie der Schönheit, und sie paßt am aller-
besten zu dem gänzlichen Mangel an Bewegung
seiner Werke. Alle Leidenschaft, alle Hand-
lung zieht, leitet unsere Betrachtung von ihren
schönen körperlichen Formen ab. Zur Schön-
heit selbst gehört der Charakter oder das, wo-
durch sich eine Person von der anderen unter-
scheidet. Schönheit mit lebendigem Charakter
ist das schwerste der Kunst."

Diese Einsicht, die Wilhelm Heinse als
Zeuge der Zeit und des Strebens eines Carstens
im Ardinghello niederlegte, findet ihren Aus-
druck in Schneiders Gestalten. Still und ruhig
stehen sie, gelassen in der Würde ihrer Schön-
heit, mit möglichster Beschränkung des Gesichts-
ausdrucks. „Nur ein tadellos schön gebauter
Mensch" sagt der Künstler in seiner Schrift
„Mein Gestalten und Bilden" (Verlag Galerie
E. Arnold—Dresden) darf es wagen, kerzen-
gerade sich zu präsentieren und eine symme-
trische Körperstellung einzunehmen. Hierbei
offenbart sich der kleinste organische Fehler.
Jede andere Stellung, gebeugt, gebückt, kauernd
oder liegend verbirgt Defekte."

Typen der Schönheit will der Künstler ge-
stalten, Vorbilder einer kommenden Mensch-

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