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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 34.1914

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Esswein, Hermann: Vom Plastischem Schmücken
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https://doi.org/10.11588/diglit.7447#0101

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Vom plastischen Schmücken.

LEOPOLD
DURM-

HOL/.HAUSEN.

BILDNIS
DES SCHRIFT-
STELLERS F.

tektonischer Grundform und Schmuck eben
nichts ist, als eine recht zweifelhafte Errungen-
schaft unserer analysierenden Gegenwart, eine
ganz willkürliche Operation des modernen In-
tellektes, daß die alten ohne alle Theorie über-
zeugenden Sachen eben eine unzertrennliche Ein-
heit der beiden erst von uns Modernen künstlich
auseinander gedachten Elemente aufweisen.

Man hat Jahre lang den Fehler gemacht,
gleichgiltige, häßliche, unsolide und unhandliche
Grundformen mit einemüberschwang von allent-
halben zusammengestohlenem Schmuckkram zu
behängen, und man begeht zur Zeit den gar
nicht geringeren Fehler, zu Gunsten einer an sich
ganz löblichen, in klaren Zeiten selbstverständ-
lichen Tektonik den Schmuck bis auf ein paar
phantasielose, nüchterne Reste vom zusammen-
wirkenden Spiel der Kräfte auszuschließen. Die
schönen Materialwirkungen (etwa gemaserten
Holzes, natürlich genarbten Leders, als Bronze
belassener Bronze) bieten keinen Ersatz, auch

sie sind in guten Zeiten selbstverständlich ge-
wesen. Erst wir machen aus den Gemeinplätzen
von einst die großen Evangelien von heute.

Besserung dieser unerfreulichen Lage erwar-
ten wir vergeblich vom Architekten, vergeblich
vom Maler, der nur mitzusprechen hat, wo
es sich um farbigen Flächenschmuck handelt.
Beide Künstlerwesenheiten sollen und können
dem modernen Kunstgewerbe nicht fehlen, aber
eine dritte ist ihm zu der neuen Synthese noch
dringender vonnöten: Der Plastiker.

Es scheint völlig in Vergessenheit geraten,
wie ausgedehnt die Mitwirkung des Bildhauers
am Kunstgewerbe gerade der besten Zeiten
gewesen ist. Können wir die großen Schnitzer,
Gießer, Former der alten Zeiten heute auch
nicht wieder zum Leben erwecken, der Model-
lierer, der Bildhauer ist ihr natürlicher Erbe.

Unser Thema kann hier nicht umhin, den trau-
rigen Verfall der Bildhauerkunst zu streifen,
ihre Zerrüttung durch den kindischen Ehrgeiz

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