Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 34.1914

DOI Artikel:
R-r., A.: Plastiken von Nora von Zumbusch
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7447#0108

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Plastiken von Nora v. Zumbusch.

zu sprechen und man-
cherlei anderem noch,
aber es würde dies zu
weit abführen, und
die dargebotenen An-
deutungen genügen,
um die Behauptung
glaubhaft zu machen,
daß es nur ganz wenige
Frauen gibt, denen es
gelingt, künstlerische
Plastiken zu schaffen.
Frau Nora von Zum-
busch aber ist eine Bild-
hauerin, derkunstwer-
tige plastische Werke
gelangen. — Das In-
sich - ruhen einer im
Leben erschauten Ge-
stalt, die sich in irgend
einem Augenblick von
der umgebenden Welt
ablöste und einsam
wurde, und nun ein
Ganzes, für sich allein
Bestehendes ist, ein
rundum Abgeschlosse-
nes, eine Figur, ver-
mag Nora von Zum-
busch statuarisch gut
darzustellen. Was A.
Feuerbach einmal vom
plastischen Kunstwerk
sagte, daß es „weniger
Seele, als Gestalt ist"
und daß es „mehr be-
griffen und verstanden,
als genossen, mehr be-
schaut, als empfunden
werden will" hat auch
Geltung, wenn es auf
die Arbeiten dieser
Bildhauerin angewen-
det wird. Die Fähigkeit
zur Begrenzung, zur
Formenstrenge, zur Vereinfachung der Darstel-
lungsbedingungen, die just keine allgemein
weibliche Tugend ist, eignet Nora von Zum-
busch, wenn auch nicht im Maße und der
Stärke, die wir an bedeutenden männlichen
Bildhauern beobachten können, und gelangt
zu wirkungsvollem Ausdruck namentlich in
jenen ihrer Arbeiten, in denen mehrere Fi-
guren zu einer Handlung vereinigt sind, wie
das Beispiel der hier abgebildeten Holzplastik
der „Ziehenden Kinder" deutlich veranschau-
licht. — Daß sich die Künstlerin der Her-

nüra von zumbusch—wien. »tänzerin« kunststein.

kunft der Bildhauerei
und ihres auch heute
noch wirkenden Zu-
sammenhanges mit
der Architektur be-
wußt ist, beweist ihre
Statue einer „Tänze-
rin", die etwas unleug-
bar Architektonisches
besitzt. Das Tektoni-
sche des menschlichen
Leibes (es ist nicht
Zufall, daß die Sprache
vom menschlichen Kör-
perbau spricht) findet
auch sonst in ihren
Plastiken die ihm zu-
kommende Berück-
sichtigung. Von Be-
seelung ist, wie über-
haupt in der Plastik,
nur mit Vorsicht zu
sprechen, zumal die
Seele als das eigentlich
Bauende, den Leib sich
Schaffende und mit
ihm innigst Verwach-
sene zu betrachten ist.
Als echte Bildhauerin
fühlt sich Nora v. Zum-
busch nicht so sehr
durch das Mysterium
der Seele an sich, als
vielmehr durch das
Wunder der sich im
Körperlichen kundge-
benden Seele bewegt.
Körper und Psyche sind
ihr eins: Gewächse, wie
Winkelmann gern zu
sagen pflegte. Es er-
freut sie das Gewach-
sensein eines Gliedes,
die erstaunliche Zweck-
mäßigkeit eines Gelen-
kes, die organische Bedingtheit im Gefüge der
einzelnen Teile. Sie bestaunt einen Halsansatz,
den Übergang vom Rumpf zu den Beinen, all
das schön Wirkende im logischen Aufbau eines
Körpers. Sie verehrt die von innen heraus
bauende Kraft und ist beflissen, sie auch in
ihren Gestaltungen spürsam zu machen, ist sich
dabei aber bewußt, daß sie ihre Arbeit nicht
vom Modell beherrschen lassen darf, da nicht
die Naturabschrift, sondern das freie, schöpfe-
rische Walten mit der Natur, als einem geistigen
Besitztum, das Kunstwerk ergibt.....a. r-r.

ioo
 
Annotationen