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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 34.1914

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Braungart, Richard: Selbstporträts
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https://doi.org/10.11588/diglit.7447#0111

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Selbstporträts.

ist das bei den Modernsten, bei den Impressionisten
sowohl wie bei den Stilisten, zu beobachten. Aber
Porträts bleiben doch auch die verwegensten dieser
Arbeiten, mit Ausnahme der kubistischen natürlich,
bei denen ja die Form so vollkommen aufgelöst und
umgewandelt erscheint, daß jede Erinnerung an Dinge
der wirklichen Welt ausgelöscht ist. — Unerschöpf-
lich sind die Selbstporträts für den Psychologen. Viele
Künstler geben sich ganz schlicht, besonders gerne
mit der Zigarre, Zigarette oder Pfeife im Munde oder
zwischen den Fingern. Sehr beliebt ist die Stellung
vor der Staffelei, im Arbeitskittel, mit Palette und
Pinsel. Und wie unendlich verschieden gerät das, je
nach dem Charakter und dem Temperament des
Malers! Von der großartigen, glänzend arrangierten
Pose bis zum Ausdruck vollkommenster Welt- und
Publikumsverachtung ist alles und in zahlreichen Ab-
stufungen zu finden. Und viele Selbstbildnisse geben
uns, aus den genannten Gründen, erst den Schlüssel
zum vollen Verständnis eines Künstlers, beziehungs-
weise seines Werkes. Und mancher wird die Arbeiten
eines Malers mit ganz anderen Augen ansehen, wenn

peter terkatz—berlin. »knieende« marmor.

peter terkatz - berlin. »mädchenbüste« marmor.

ihm eines Tages dessen Selbstbildnis ver-
raten hat, wie er aussieht. Nicht immer
wird ja eine solche Bekanntschaft zum Vor-
teil des Künstlers sein; denn Sympathien
und Antipathien spielen gerade bei Physiog-
nomien eine große Rolle. Aber es ist kaum
anzunehmen, daß sich jemals ein Künstler
durch solche Erwägungen abhalten lassen
wird, sich selbst zu porträtieren, wenn
er nun einmal das Bedürfnis oder die Lust
dazu empfindet. Und daß dies nahezu bei
allen Künstlern gelegentlich der Fall ist,
haben wir bereits gesehen. Und wir dürfen
uns darüber freuen; denn wir verdanken
diesem Triebe ein mannigfaltiges Material,
das nie aufhören wird, den Kunsthistoriker
wie den Physiognomiker in gleicher Weise
zu fesseln........ richard braungart.

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