Die Große Berliner Kunst-Ausstellung.
FR. BAYERLEIN MÜNCHEN.
GEMÄLDE »GEWITTER
dicht behängten Sälen gefunden. Doch auch
von dem gesicherten, inzwischen historisch ge-
wordenen Besitz unserer Kunst wird wenig ge-
zeigt. Ja, diese Ausstellung erhebt schon den
Anspruch zeitgemäß, modern zu sein!
Im vergangenen Jahr erlebten wir in den
damals verwaisten Räumen der alten Sezes-
sion eine Sammlung von Kunstwerken „auf
mittlerer Linie" — das war der programma-
tische Name, mit dem man das Unternehmen
zu erklären oder wohl besser zu rechtfertigen
suchte. Die Ausstellung war aber trotz ihres
ungewöhnlichen Ortes und Namens nichts
Neues — sie bedeutete nichts anderes als eine
Projektion der jährlichen „Großen" auf enge
Fläche. „Kunst auf mittlerer Linie" — so
könnte es mit Fug auch über dem Palaste
am Lehrter Bahnhof zu lesen stehen.
Wer jedoch im vergangenen Jahr darüber
noch Zweifel hegte, dem wird's angesichts der
Großen Berliner wohl klar sein, daß Kunst auf
mittlerer Linie zu sammeln nichts anderes heißt,
als dem Minderwertigen das Recht zum Dasein,
zu selbständiger Bedeutung einzuräumen. Seine
alles Werlvolle erstickende und verdunkelnde
Fülle ist eine notwendige Folge — sie fließt
auf den leisesten Wink zusammen.
In der Kunst muß wenigstens das Ungewöhn-
liche gewollt werden. Verzichtet man darauf,
so steigt das Gespenst einer geradezu phan-
tastischen Sinnlosigkeit richtend empor, das der
Kunst, dieser so schwer erforschlichen Lebens-
erscheinung, für den oberflächlichen Blick schon
an sich mehr oder weniger nahe zu folgen pflegt.
Wir müssen das Große, das Ungewöhnliche
suchen im Leben wie in der Kunst, denn nur
aus ihm entströmen die Impulse, aus denen der
Mensch das Gefühl seinerWürde schöpft, und die
Kraft, im Wandel der Dinge sich zu behaupten.
Die Empfindung der peinlichen, inneren Ge-
304
FR. BAYERLEIN MÜNCHEN.
GEMÄLDE »GEWITTER
dicht behängten Sälen gefunden. Doch auch
von dem gesicherten, inzwischen historisch ge-
wordenen Besitz unserer Kunst wird wenig ge-
zeigt. Ja, diese Ausstellung erhebt schon den
Anspruch zeitgemäß, modern zu sein!
Im vergangenen Jahr erlebten wir in den
damals verwaisten Räumen der alten Sezes-
sion eine Sammlung von Kunstwerken „auf
mittlerer Linie" — das war der programma-
tische Name, mit dem man das Unternehmen
zu erklären oder wohl besser zu rechtfertigen
suchte. Die Ausstellung war aber trotz ihres
ungewöhnlichen Ortes und Namens nichts
Neues — sie bedeutete nichts anderes als eine
Projektion der jährlichen „Großen" auf enge
Fläche. „Kunst auf mittlerer Linie" — so
könnte es mit Fug auch über dem Palaste
am Lehrter Bahnhof zu lesen stehen.
Wer jedoch im vergangenen Jahr darüber
noch Zweifel hegte, dem wird's angesichts der
Großen Berliner wohl klar sein, daß Kunst auf
mittlerer Linie zu sammeln nichts anderes heißt,
als dem Minderwertigen das Recht zum Dasein,
zu selbständiger Bedeutung einzuräumen. Seine
alles Werlvolle erstickende und verdunkelnde
Fülle ist eine notwendige Folge — sie fließt
auf den leisesten Wink zusammen.
In der Kunst muß wenigstens das Ungewöhn-
liche gewollt werden. Verzichtet man darauf,
so steigt das Gespenst einer geradezu phan-
tastischen Sinnlosigkeit richtend empor, das der
Kunst, dieser so schwer erforschlichen Lebens-
erscheinung, für den oberflächlichen Blick schon
an sich mehr oder weniger nahe zu folgen pflegt.
Wir müssen das Große, das Ungewöhnliche
suchen im Leben wie in der Kunst, denn nur
aus ihm entströmen die Impulse, aus denen der
Mensch das Gefühl seinerWürde schöpft, und die
Kraft, im Wandel der Dinge sich zu behaupten.
Die Empfindung der peinlichen, inneren Ge-
304