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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 34.1914

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Breuer, Robert L.: Die Cölner Werkbund-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7447#0430

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der Kunst berührt, nirgends aber Kunst ist.
Sie alle verrichten ihr Werk am besten, wenn
man von ihnen sagen darf, sie arbeiteten als
vernünftige und im höheren Sinne normale Men-
schen, wenn man in ihrer Arbeit das scheinbar
Selbstverständliche findet." Was so vom In-
genieur gilt, gilt aber gleichfalls von den weit-
aus meisten, die tätig sind, die Ziele des deut-
schen Werkbundes zu erarbeiten. Ein Fabrik-
bau, ein Kontorhaus, eine Tapete, ein Eßge-
schirr, ein Kleiderstoff — das alles sind keine
Kunstwerke und können keine sein, können es
wenigstens so lange nicht, als man die „Skla-
ven" des Michel Angelo, Hodlers „Holzfäller"
oder Raphaels Wandteppiche Kunstwerke heißt.
Man muß sich langsam daran gewöhnen, mit
der verführerischen Vokabel „Kunst" ökono-
mischer zu verfahren. Man braucht dabei durch-
aus nicht zu vergessen, daß eine geschliffene
Kristallflasche oder ein frühes japanisches Lack-
schälchen oder ein sassanidisches Gewebe be-
fähigt sind, die Nerven des Menschen in gött-
liches Entzücken zu versetzen und ihn über sein
Dasein hinauszuheben. Man kann der festen
Überzeugung sein, daß ein Künstler das Äußerste,
was er zu empfinden vermag, in der Kurve einer
Salatschüssel ausdrücken kann; man wird trotz-
dem nicht an alle Salatschüsseln solch hohe
Forderungen stellen. In einer Organisation,

wie der Deutsche Werkbund sie darstellt, kann
und muß es Künstler geben; es ist aber unmög-
lich, daß ein Bund, dessen Mitgliederverzeichnis
viele Quartseiten füllt, nur aus künstlerischen
Potenzen besteht. Die Ausstellung des Deut-
schen Werkbundes konnte den Eingeweihten
von vornherein nicht lüstern machen, die Errup-
tionen feuriger Gipfel zu sehen; der Eingeweihte
konnte nur den breiten Strom geklärter und
unter dem Ideal des neudeutschen Stil sich
sammelnder Produktivität erwarten. Nur an
dem Maßstab solcher allein vernünftigen Er-
wartung kann die Cölner Ausstellung gemessen
werden.

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Jene erste denkwürdige Demonstration, die
auf der „Mathildenhöhe" in Darmstadt vor
sich ging, war der Leidenschaftsausbruch einiger
gezählter Künstler. Es waren da Männer, die
ihr ganzes Wesen in den scheinbar harmlosesten
und gleichgültigsten Dingen versinnlichen woll-
ten. Ein neuer Mensch, eine neue Welt soll-
ten durch die Neugestaltung eines Gartenhauses,
eines Wandteppichs erzwungen werden. Die
Überschwenglichkeit solches Strebens war da-
mals etwas Großes und Schönes; sie ist aber
ganz gewiß die Ursache dafür, daß heute nie-
mand, der jene Dokumente brausender Jugend-
zeit sieht, sich eines Lächeln zu enthalten ver-

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