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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 34.1914

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Breuer, Robert L.: Die Cölner Werkbund-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7447#0432

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Die Cölner Werkbund-Ausstellung.

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PROFESSOR THEODOR FISCHER—MÜNCHEN.

D.W.B.-AUSSTELLUNG »DIE HAUPTHALLE«

mag. Auf Darmstadt folgte Dresden 1906.
Die Reformation, die alle Gestaltung an Haupt
und Gliedern erfassen wollte, war ihrem Wesen
gemäß in die Breite gegangen. Den Künstlern
waren Fabrikanten und Industrielle zur Seite
getreten; und wenn sich auch noch vielfältig
der zwecklos schweifende Geist und das unge-
hemmte Temperament der Phantasiebegabten
nicht verleugneten, so machte sich doch schon
allenthalben ein Streben zur nüchternen Wirk-
lichkeit , zur Verkaufsfähigkeit der Ware und
zur Gewinnung eines nicht nur verzückten, son-
dern auch erwerbenden Publikums bemerkbar.
Schnell hatte sich die Wandlung vollzogen, die
einen Schrank aus dem individuellen Traum-
gebilde eines Künstlers zum Gebrauchsgegen-
stand eines gut erzogenen und vom Rhythmus
der Zeit erfaßten Menschen machte. Neben den
Stühlen, die die Individualität eines lyrischen
Gedichtes beanspruchten, standen schon ganz
behäbig die Typen, die ganzer Klassen von Be-
nutzern warteten. Es waren auch nicht mehr
die Künstler allein am Werk; sie hatten sich
bereits Ateliers zugelegt, sie wurden bereits
durch Qualitätshelfer unterstützt. Die Bewe-
gung ging vom Künstler zum Qualitätshelfer,
weil sie vom Kunstwerk zur Qualitätsware ging.

Aus England, dem Lande der aristokratisch
gewordenen Demokratie, kamen die Lehrsätze
und Lebensregeln, die uns das Lächerliche der
Kulturlüge, in deren Theaterwolken wir uns
wohlfühlten, erkennen machten. Das große
Reinigungsbad begann; von den Fassaden der
Mietskasernen wurden die Stuckpuppen, von

den Möbeln die verdrechselten Aufsätze, von
sämtlichen Geräten die ornamentalen Schwülste
fortgeschwemmt. Es starben der Salon, das
Büfett, der Marmor, der aus Holz und das
Leder, das aus Papier nachgeahmt worden war.
Die unduldsamen Dogmen der Zweckmäßigkeit,
der Materialgerechtheit und der technischen
Vernunft traten ihre Herrschaft an. Wir wissen,
daß es diesen Dogmen gegangen ist, wie es
allen fanatischen Grundsätzen gehen muß; sie
überwanden sich selber. Das darf uns aber
nicht abhalten zu erkennen, daß die Tage der
drei Dogmen zugleich die Tage der Demokra-
tisierung der als ein aristokratisches Schwärmen
von Künstlern begonnenen Bewegung waren.
Die Nüchternheit des neuen Stils suchte die
Massen. Man lernte wieder erkennen, daß alle
Ausdrucksform irgendwie Darstellung der herr-
schenden wirtschaftlichen, sozialen und politi-
schen Zustände ist. Man erkannte das Louis XVI.
als die Ausdrucksform der Welt, die durch die
Gnade der Sonnenkönige lebte; man begriff,
daß das moderne Bürgertum die sittliche Pflicht
hat, Häuser und Möbel, Teppiche und Gläser
nach dem eigenen Wesen zu gestalten. Erst in
dem Augenblick, da solche Einsicht aktiv wurde
und der Kampf gegen die als verlogen erkann-
ten Nachahmungen der Gotik, der Renaissance,
des Barocks und des Empires begann, geschah
plötzlich ein Aufstand jener Fachleute, deren
profitable Gewöhnung durch solches Erwachen
der Konsumentenmassen gestört wurde. Man
muß sich der oft komischen, oft bitter ernsten
Katzbalgereien, die den Fachmann gegen den
Theoretiker, den Handwerker gegen den Künst-

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