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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

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Unus, Walther: Von der neuen Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0312
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VON DER NEUEN BAUKUNST.

Als die Sezessionsbewegung der neunziger
l Jahre einem alten Schlendrian gegenüber
das Recht des Individuums durchsetzte, gab es
schon viele Stimmen, die darauf hinwiesen, ein
jeder neue Stil offenbare sich stets am nach-
drücklichsten und klarsten in der Baukunst.
Aber wo blieb die erwartete neue Baukunst?
Der englische Cottagebau, — das war eine ge-
sunde Anregung, aber gewiß nicht mehr. Es
gab eben keine neue Baukunst; die individua-
listische, malerisch-kunstgewerbliche Grundlage
der Bewegung gebar sie auch nicht. Baukunst
ist unmöglich ohne ein starkes kollektivistisches
Element: sie ist das Werk vieler, sie wird folge-
richtig auch der Ausdruck, der Sammelpunkt
vieler. Unter diesem Gesichtspunkt lassen sich
aber alle die neueren Richtungen der Bau-
kunst der letzten Jahrzehnte, die eklektischen,
der Hoffmann und des vielzufrüh gestorbenen
Messel, der empfindsamen, wie Olbrich, der
neubarocken, wie Kreis und Pölzig gut verstehn.

Ohne Frage hat das Kunstgewerbe, wenn
man diesen Begriff weiter schleppen darf, heute
eine viel gesündere Basis als vor zwanzig Jahren,
wo es den Jugendstil hervorbrachte, der, ganz
abgesehen von seinen Verscheußlichungen in
einer verständnislosen Industrie, auch in seinen
ernsthaften Leistungen die Vaterschaft der
Malerei nicht verleugnen konnte. Waren die
Führer ja doch fast alle Maler gewesen.

Heute, wo die im lärmenden Vordergrund
des Interesses stehende Malerei als solche
vielfach Bankrott gemacht hat, ja diesen Ban-
krott oft für einen absichtlichen erklärt, muß
man die Schaffenden auf die inzwischen mächtig
gewachsene Baukunst hinweisen, in welcher
sich die Tendenzen der Zeit mit immer größerer
Klarheit herausschälen. Die Neigung zur Ein-
fachheit, jetzt von der Wirtschaftsnot gefor-
dert, ist bemerkenswerterweise vor dem Kriege
schon ebenso tätig gewesen, wie in den andern
Künsten das Zerbrechen der Formen bereits
 
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