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Dlugaiczyk, Martina
Peter Paul Rubens: Der Triumph des Siegers — Marburg, 1996

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https://doi.org/10.11588/diglit.23775#0030
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27

"Wer klug ist, ist auch selbstbeherrscht; wer selbstbe-
herrscht ist, ist auch beständig; wer beständig ist,
ist frei von Affekten, wer frei von Affekten ist, ist
ohne Traurigkeit, wer ohne Traurigkeit ist, ist glück-
lich; also ist der Kluge glücklich, und Klugheit ist
zum glücklichen Leben genug."87

Lipsius hingegen versuchte u.a. in seinem Hauptwerk "De
constantia"88 die frühe römische Stoa auf die Situation im
16. und 17. Jahrhundert zu übertragen, ein Bestreben, das
unter den Begriff des christlichen Neostoizismus geführt
wird. Wichtig ist, daß Lipsius die Verdikte der alten
römischen Stoa wie Affektlosigkeit und Verwerflichkeit des
Mitleids abschwächte, denn er unterschied offensichtlich
zwischen den an sich nicht verwerflichen Leidenschaften und
deren Mißbrauch. Seine Maxime ist der vernünftige Umgang
mit den Leidenschaften.89 Reinhild Stephan-Maaser schreibt:

"Der realen bürgerkriegsähnlichen Situation in den
Niederlanden vor dem Waffenstillstand von 1609 mit der
stoischen Ataraxie zu begegnen, scheint nicht mehr
möglich, da die äußeren Ereignisse existentiell in die
'Seelenruhe* eingreifen: der Individualität des

einzelnen allein kann die Abwehr des auf ihn

einstürmenden Chaos nicht überlassen bleiben."90.

Das hat zur Folge, daß Lipsius den Staat über das

Individuum stellt, da letzteres "affektverfallen"91 ist.
Ein von außen aufgebautes Ordnungsgefüge - der Staat - soll

87) Seneca, 4. Bd., Brief 11,2, S. 233.

88) "De constantia" entstand während der Zeit, als die flandrische Verteidigungslinie
1584/85 gegen die spanischen Truppen zusaaaenbrach, vgl. Lipsius, Justus: Von der
Bestendigkeit (De constantia). Faksiailedruck der dt. Übersetzung des Andreas
Virtitius nach der 2. Auflage von 160i alt den wichtigsten Lesearten der ersten
Auflage von 1599, hrsg. von Leonard Förster, Stuttgart 1965.

89) Vgl. Stephan-Maaser, Reinhild: Mythos und Lebenswelt. Studien zua "Trunkenen Silen"
von Peter Paul Rubens, MOnster/Haaburg 1992, S. 180ff.. "Dahinter steht die
aristotelische Vorstellung von den Affekten als Naturgegebenheiten, die nicht
ignoriert werden können, jedoch unter der Kontrolle des Verstandes studiert und
gezähat werden aüssen", dies. S. 191f..

90) Stephan-Maaser, 1992, S. 188.

91) D.h.,"(...) die (...) eigene ratio (...) vermag ia Normalfall nicht gegen den
Anstura der opinio (...) anzukoaaen", Stephan-Maaser, 1992, S. 189.
 
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