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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Dobbert, Eduard: Giotto: geb. in Vespignano 1276, gest. in Florenz 1336
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0111
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DER GESTEIGERTE INDIVIDUALISMUS IM ITAL. CULTURLEBEN. 49

An iolchen vereinzelten Beilpielen konnte Giotto allerdings auch nach der
Seite hin., welche leine Hauptmarke ausmacht, lernen. Im Allgemeinen aber wird
man wohl kaum irren, wenn man den Einhufs Cimabuefs auf Giotto mehr auf
technifchem Gebiete in der fchon oben hervorgehobenen Weife lucht.
Wenn Giotto von Anfang an hch gegenüber den byzantinifchen Traditionen
in Compohtion und Typen viel freier verhält als leine Zeitgenoffen, namentlich
auch als der berühmte Vertreter der henefifchen Schule, Duccio, lo mochte er hie-
mit an jene Ichon früher berührten romanilchen Kunlbelemente in der älteren
italienilchen Malerei anknüpfen, vor Allem aber verdankt er feine Selbftändigkeit
feiner eigenen gewaltigen Begabung und dann wohl auch dem frilchen Geiftes-
zuge, der damals durch das italienilche Leben ging. Es war eine Zeit heftiger
Kämpfe^ tobender Leidenfchaften, aber auch grolser Gedanken; ftarker Gefühle.
Damals war bereits auf dem Gebiete des italienilchen Culturlebens jener Geilt
des Individualismus erwacht; welcher lo tief einlchneiden tollte in das typilche
Welen der mittelalterlichen Bildung. Während es im Norden noch zu den fel-
tenen Ausnahmen gehörte; dals der Einzelne aus der Geiammtheit des Volkes;
der Partei; der Zunft gleichlam hervortauchte; ))beginnt,« wie Burckhardt hch geilt-
reich ausdrückt; ^mit Ausgang des iß. Jahrhunderts Italien von Perlonlichkeiten
zu wimmeln; der Bann; welcher auf dem Individualismus gelegen; ilt hier völlig
gebrochen; lchrankenlos fpeoialihren hch taulend einzelne Gelichter.« Es ilt gewifs
nicht zufällig; dals fo wenige Namen von norditchen Künftlern dieler Zeit auf
uns gekommen find; während das Verzeichnils italieniicher Meifter aus dem iß.
und 14. Jahrhundert bereits lehr umfangreich ilt. Vergebens fragen wir nach
den Urhebern; ja nach der Schule der lchönlten deutlichen Bildhauerarbeiten des
iß. Jahrhunderts; den Sculpturen zu Wechlelburg und Freiberg; während in dieler
Zeit die italienilchen Bildner bereits frilchweg ihren Namen auf ihre meitt lehr
rohen Producte zu letzen pflegen. Und auch in der Baukunlt macht hch dieies
individuelle Selbftgefühl geltend. Während zum Welen nordilcher Gothik vor
Allem die Conlequenz im Conftructiven gehört; lchaltet der italienilche Architekt
in naiv willkürlicher Weile mit den Formen des neu importirten Stiles und lieht
in denfelben vor Allem eine Fundgrube für Decorationsmotive. Im Uebrigen
prägt er dem Bauwerk den Stempel leines individuellen Geiftes auf.
So lag denn der gelteigerte Individualismus gleichlam in der Luft; weiche
Giotto athmete. Es kam darauf an, dals dieler neue Geilt nun auch auf allen
Kunltgebieten zur Herrlchaft gebracht wurde; diele gelchichtliche Million vollzog
Giotto für die Malerei; wie Dante für die Dichtkunlt. Daffelbe Florenz; welches
die Kunft GiottoL zeitigte; erzeugte ja auch Dante.
Die Verfuchung Hegt lo nahe; jenen alten Bericht über das Zulammentreffen
der beiden grofsen Männer in Padua, lo wie ValariN Bemerkung über die Be-
nutzung Dante'fcher Erhndungen durch Giotto oder die gemeinlame Berathung
über die darzuftellenden Gegenltände und Filippo Villanfs Erwähnung eines Ge-
mäldes, auf welchem Giotto hch felbft und Dante dargeltellt hätte, weiter aus-
zuführen und mit Valari ein inniges Freundfchaftsverhältniis zwilchen Dichter und
Maler anzunehmen. Ein fblches Verhältnils zwilchen dem auch poetiich begabten
Maler und dem aufs Entlchiedenfte mit malerifchem Sinne ausgeltatteten Dichter
hat auch in der That nichts Unwahrlcheinliches, belonders wenn die Angabe
Puccfs, eines jüngeren Zeitgenoffen Beider, hch betätigen lollte, wonach Giotto,
 
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