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GIOTTO.
Giottoß kunfthiftoriiche Bedeutung^ wenn auch nicht vollhändig gewürdigt^ io
doch nach gewißen Seiten hin treffend charakterihrt hat.
Das berühmtefte unter den auf uns gekommenen Werken Cimabueß^ das
große Madonnenbild in Sta. Maria Novella zu Florenz., zeigt in der That den
epochemachenden Fortfehritt in der Gewandbehandlung., welchen Vaßri durch den
Ausfpruch andeutet: Cimabue habe die Gewänder etwas lebendiger^ naturgemäßer.,
weicher behandelt, als es in der griechifchen Manier mit den vielen Strichen der
Fall gewefen fei. Nicht darin hat Vafari Unrecht ^ daß er Cimabue von der
byzantiniiehen Manier ausgehen läßt. Das Irrthümliche feiner Auffaffung befteht
vielmehr darin ^ daß er diele griechifche Manier als die in den vorangegangenen
Jahrhunderten einzig und allein in Italien herrfchende annimmt.
Wir können Valari nur zuftimmen^ wenn er weiterhin ßgt, Cimabue habe
zwar die griechifche Manier gehabt ^ nähere Ach aber theilweife der modernen.
Denn Cimabue fteht in der That mit feiner ganzen Auffaffungsweile dem Byzan-
tinismus noch lehr nahe. So hat vor Allem fein letztes Werk, die coloffale in
Moßik ausgeführte Chriftushgur im Dome zu Piß^ die ganze Barre Feierlich-
keit eines byzantiniiehen Werkes. Aber auch die große Tafel in Sta. Maria
Novella hat trotz des fchon angeführten bedeutenden Fortfehritts in der Ge-
wandbehandlung noch viel Byzantinifches. Der zur Seite gebogene Kopf der
Madonna zeigt im Allgemeinen den byzantiniiehen Typus: die großen Augen^,
die lange ^ vorn an der Spitze etwas gekrümmte Nale^ den kleinen Mund.
Auch die Art, wie die Mutter mit ihren überfchlanken Händen das Kind auf dem
Schooße hälß iß der byzantiniiehen Tradition gemäß. Nicht minder zeigt das
Chriftkind in feinem Kopfe eine deutliche Reminifcenz jener greifenhaften Züge
echt byzantinifcher Chriftuskinder. Allerdings aber ift lowohl im Kopfe der Ma-
donna als auch demjenigen Jeiu die byzantinifche Strenge gemildert. Der Mantel
der Madonna zeigt, wie fchon angedeutet wurde^ in dem breiten Faltenwurf jenen
entlchiedenen Bruch mit der nichtsßgenden ftrichelnden Behandlungsweife der
byzantiniiehen Verfallzeit. Der Schnitt der Gewänder entfpricht aber wiederum
durchaus byzantinifcher Darftellungsweife. Die knieenden Engel haben einen
lanften holdfeligen Ausdruck, aber in ihrer demüthigen Stellung^, ihrer Haartracht,
ja felbft in der Art jener Holdfeligkeit erinnern Ae entfchieden an die belfern
unter den byzantiniiehen Darftellungen diefes Gegenftandes. Das lichte Colorit,
in welchem das Ganze gehalten ift^ fcheint mir neben jenem breiten Faltenwurf
die wefentlichfte Neuerung an dielem Gemälde Cimabueß zu lein.
Auch die von Vaßri dem Cimabue zugefchriebenen Wandmalereien aus dem
alten und dem neuen Teftamente in der Oberkirche von S. Francesco zu AfAA
erinnern auf das Entfchiedenfte an die zahlreichen auf uns gekommenen typilchen
Darftellungen dieler Gegenftände durch byzantinifche Künftler. Nur hie und da
nimmt man an einigen dieler Bilder einen Fortlchritt im Ausdruck wahr, wie ihn
uns die Tafelbilder des Meifters und das Moßik in Piß nicht zeigen; einen Fort-
fchritß der es erklärt^, wie Giotto aus dieler Schule hervorgehen konnte. Eines
dieler Gemälde wurde fchon oben charakterihrt, die ))Pietä^ wo die Angehörigen
Jefu, lo weit der Zuftand der Malerei die Beurtheilung dieler Figuren zuläßß in
Geberden und GeAchtsausdruck zum Theil wahren Schmerz zeigen. In einem
andern Bilde^ der x.Himmelfahrt(, ift die SehnAicht in den ftark byzantiniArenden
emporblickenden Apoftelköpfen recht kräftig gegeben.
GIOTTO.
Giottoß kunfthiftoriiche Bedeutung^ wenn auch nicht vollhändig gewürdigt^ io
doch nach gewißen Seiten hin treffend charakterihrt hat.
Das berühmtefte unter den auf uns gekommenen Werken Cimabueß^ das
große Madonnenbild in Sta. Maria Novella zu Florenz., zeigt in der That den
epochemachenden Fortfehritt in der Gewandbehandlung., welchen Vaßri durch den
Ausfpruch andeutet: Cimabue habe die Gewänder etwas lebendiger^ naturgemäßer.,
weicher behandelt, als es in der griechifchen Manier mit den vielen Strichen der
Fall gewefen fei. Nicht darin hat Vafari Unrecht ^ daß er Cimabue von der
byzantiniiehen Manier ausgehen läßt. Das Irrthümliche feiner Auffaffung befteht
vielmehr darin ^ daß er diele griechifche Manier als die in den vorangegangenen
Jahrhunderten einzig und allein in Italien herrfchende annimmt.
Wir können Valari nur zuftimmen^ wenn er weiterhin ßgt, Cimabue habe
zwar die griechifche Manier gehabt ^ nähere Ach aber theilweife der modernen.
Denn Cimabue fteht in der That mit feiner ganzen Auffaffungsweile dem Byzan-
tinismus noch lehr nahe. So hat vor Allem fein letztes Werk, die coloffale in
Moßik ausgeführte Chriftushgur im Dome zu Piß^ die ganze Barre Feierlich-
keit eines byzantiniiehen Werkes. Aber auch die große Tafel in Sta. Maria
Novella hat trotz des fchon angeführten bedeutenden Fortfehritts in der Ge-
wandbehandlung noch viel Byzantinifches. Der zur Seite gebogene Kopf der
Madonna zeigt im Allgemeinen den byzantiniiehen Typus: die großen Augen^,
die lange ^ vorn an der Spitze etwas gekrümmte Nale^ den kleinen Mund.
Auch die Art, wie die Mutter mit ihren überfchlanken Händen das Kind auf dem
Schooße hälß iß der byzantiniiehen Tradition gemäß. Nicht minder zeigt das
Chriftkind in feinem Kopfe eine deutliche Reminifcenz jener greifenhaften Züge
echt byzantinifcher Chriftuskinder. Allerdings aber ift lowohl im Kopfe der Ma-
donna als auch demjenigen Jeiu die byzantinifche Strenge gemildert. Der Mantel
der Madonna zeigt, wie fchon angedeutet wurde^ in dem breiten Faltenwurf jenen
entlchiedenen Bruch mit der nichtsßgenden ftrichelnden Behandlungsweife der
byzantiniiehen Verfallzeit. Der Schnitt der Gewänder entfpricht aber wiederum
durchaus byzantinifcher Darftellungsweife. Die knieenden Engel haben einen
lanften holdfeligen Ausdruck, aber in ihrer demüthigen Stellung^, ihrer Haartracht,
ja felbft in der Art jener Holdfeligkeit erinnern Ae entfchieden an die belfern
unter den byzantiniiehen Darftellungen diefes Gegenftandes. Das lichte Colorit,
in welchem das Ganze gehalten ift^ fcheint mir neben jenem breiten Faltenwurf
die wefentlichfte Neuerung an dielem Gemälde Cimabueß zu lein.
Auch die von Vaßri dem Cimabue zugefchriebenen Wandmalereien aus dem
alten und dem neuen Teftamente in der Oberkirche von S. Francesco zu AfAA
erinnern auf das Entfchiedenfte an die zahlreichen auf uns gekommenen typilchen
Darftellungen dieler Gegenftände durch byzantinifche Künftler. Nur hie und da
nimmt man an einigen dieler Bilder einen Fortlchritt im Ausdruck wahr, wie ihn
uns die Tafelbilder des Meifters und das Moßik in Piß nicht zeigen; einen Fort-
fchritß der es erklärt^, wie Giotto aus dieler Schule hervorgehen konnte. Eines
dieler Gemälde wurde fchon oben charakterihrt, die ))Pietä^ wo die Angehörigen
Jefu, lo weit der Zuftand der Malerei die Beurtheilung dieler Figuren zuläßß in
Geberden und GeAchtsausdruck zum Theil wahren Schmerz zeigen. In einem
andern Bilde^ der x.Himmelfahrt(, ift die SehnAicht in den ftark byzantiniArenden
emporblickenden Apoftelköpfen recht kräftig gegeben.