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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Woermann, Karl: Sandro Botticelli: Geb. 1446 in Florenz, † 1510 ebenda
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0405

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2. Sandro Botticelli.
Geb. 1446 in Florenz, t 1510 ebenda.

Vafari äufsert gelegentlich, beim Tode Filippo Lippi's fei Sandro Botticelli
ein ausgezeichneter MeiAer(i) gewefen; und dafs man dies von dem damals drei bis
vierundzwanzig-jährigen jungen Manne tagen konnte, ifl ficher zum grofsen Theile
das Verdienft Fra Filippo's felbft, feines erflen Lehrers gewefen. Sandro blieb
gleichwohl bei Lippi nicht flehen: er hatte die Formenfprache der etwas älteren
Aorentinifchen Maler, die zugleich Bildhauer und Goldarbeiter waren, der Polla-
juoli und Verocchio's in tich verarbeitet; er hatte fein Stoffgebiet nach Mals-
gabe der grofsen Paduaner, Squarcione's und Mantegna's erweitert; er hatte ein
eigenes, von Manierirtheit nicht immer freizufprechendes Stilgefühl hinzugebracht;
und er war fo felbA zu einem neue Saiten anfchlagenden und in feiner Weife bahn-
brechenden Künftler der Aorentiner Schule geworden. Seine Werke And aber
von fehr ungleichem Werth; und fehl* ungleich iA daher auch feine Werth-
fchätzung befonders bei modernen Kritikern gewefen. Diefe Werthfehätzung
des Botticelli nach dem Durchfchnitt feiner LeiAungen wird zum grofsen Theile
davon abhängen, ob dem Beurtheiler der eigenthümliche, Aets wiederkehrende
auf den erAen Blick erkennbare Typus, den er feinen GeAalten, vor allen Dingen
feinen Köpfen, auf einer Mehrzahl feiner Gemälde verliehen hat, fympathifch oder
unfympathifch iA. Ich geAehe, dafs mir diefer Typus an Ach keineswegs un-
fympatifch iA. dafs ich aber trotz feines anfeheinenden Realismus in feiner Aeten
Wiederholung bei Jünglingen, Jungfrauen und Kindern, die fogar im Zweifel läfst,
ob das Urbild ein männliches oder ein weibliches gewefen, ebenfogut eine mani-
riAifche Verirrung erkenne, wie in dem ebenfo oft wiederholten Typus, den
unfer moderner StiliA Genelli feinen Köpfen gegeben. Ein folcher Typus will
natürlich nach dem Bilde felbA, und nicht nach einer Befchreibung kennen ge-
lernt fein. Gleichwohl läfst Ach das Gepräge der BotticelliTchen Köpfe vielleicht
auch durch Worte veranfchaulichen. Die Grundform des GeAchtes iA oval, aber
nicht einmal regelmäfsig: Backenknochen, Kinn und Lippen And markirt, aber
in einer eigenthümlich weichen Weife markirt, die die Züge keineswegs fcharf
erfcheinen läfst. Die Nafe fetzt fchmal an und läuft breiter und Aumpfer aus ;
befonders charakteriAifch aber And die fehr hoch liegenden, bogenförmigen
Augenbrauen. Käme diefer Kopf einmal vor, fo würde man ihn Acher indivi-
duell nennen; dafs er auf ein beAimmtes Modell zurückgeht, iA auch wahr-
fcheinlich, erA durch die häuAge Wiederholung verliert er feine Individualität.
Der ganze Typus iA von Annlichem AnAuge nicht freizufprechen und Aeht der
Venus der UfAziengallerie (No. ßp) daher natürlicher, als der BMagniAcat« fchrei-
benden, von jugendlichen Heiligen und Engeln umgebenen Madonna derfelben
Sammlung (No. 2ß), wenngleich ein fchwermüthig weicher Ausdruck zugleich
mit jener Formenbildung verbunden iA. Von in Deutfchland beAndlichen Bildern
wird das Gemälde der Berliner Sammlung No. 102 den Typus am beAen ver-
deutlichen. Die Bilder, auf denen reifere Männer die Hauptrolle fpielen, fowie
 
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