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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Dobbert, Eduard: Lippo Memmi
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Dobbert, Eduard: Pietro Lorenzetti
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0156

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PIETRO LORENZETTI.

jeden Nichtbürger zu einer hohen Abgabe für das Rechte feine Kunft auszuüben,
verpflichtete, lange Zeit hindurch kein einziger florentiner Maler fleh in Siena
niederliefs.
Es fcheint, dafs die beiden Brüder einen ähnlichen Entwickelungsgang ge-
nommen haben, auch kam es vor, dafs he in Gemeinfchaft arbeiteten.

IV. Pietro Lorenzetti.
kommt urkundlich zum erhen Mal 1303 vor, in welchem Jahre er für eine Malerei
für die »Signori Novea eine Zahlung erhält. Unter dem Jahre 1326 wird die
Malerei von »Gefchichtena im Haufe der Opera des Domes zu Siena erwähnt.
Das ältefte mit der Namensunterfchrift verfehene Bild des Meifters aber., das
auf uns gekommen, ift die Madonna mit Heiligen in der Capellina del Martirio di
S. Anfano in der Nähe von Siena aus dem Jahre 132p. (Abb. auf S. 40.)
Was Geftalt und Ausdruck der Maria betrifft, fo herrfcht eine auffallende
Verwandtfchaft mit Eippo Memmhs Madonna in S. Gimignano vor. Auch Pi^troV
Maria blickt gerade aus dem Bilde heraus, auch bei ihr ift das Verhältnis zum
Kinde ein rein äufserliches. In ihren Zügen nehmen wir nichts von jenem träu-
merifch milden Ausdruck wahr, der bei Simonens und DuccioT Madonnen den
Befchauer in fo hohem Grade feffelt. Entfpricht aber die Art, wie die Madonna
thront, die Haltung ihrer Arme etc. vollftändig den Madonnenbildern Simone
Martinas und Lippo Memmfs, fo ift die Auffaffung des Chriftkindes vollftändig neu.
Daffelbe fteht hier nicht ruhig auf dem Knie der Mutter, fondern tritt in lebhafte
Beziehung zu dem daneben ftehenden Propheten Elias. In diefer Kinderfigur
fpricht fleh bereits deutlich das dramatifche Element in der Begabung PietroV
aus; ob daffelbe gerade hier am Platze war, ift freilich eine andere Frage. Mir
fcheint die Willenskraft, welche diefen kleinen Chriftus auszeichnet, jedes kind-
lichen Zuges zu entbehren. Die Art, wie er die rechte Hand auf das Knie ge-
ftützt hat, ift der Geftus eines Erwachfenen, auch der ernfte Blick, den er auf
den Propheten richtet, hat nichts Kindliches. Der energifche Charakter von Pietro
Lorenzettfs Kunftemphndung kam der Darftellung feiner Männergeftalten fehl* zu
Gute: diefer Elias ift ein Mann, der genau weifs, was er will; auch liegt der Figur
kein althergebrachter Typus zu Grunde; he ift vielmehr eine individuelle Leiftung
unteres Künftlers. Aehnliches gilt von dem h. Nicolaus auf der anderen Seite
des Thrones. Auch in den Engeln tritt uns die Kunft PietroN als von der Tra-
dition abweichend entgegen, doch zeigt fleh hier abermals, wie bei der Madonna,
dafs die Anmuth nicht feine ftarke Seite war. Sehr ftreng ift die Symmetrie in
der Anordnung der Figuren; die je drei Gehalten auf den beiden Seiten des
Bildes entlprechen einander bis in den Neigungswinkel der Köpfe und die Hal-
tung der Hände. Echt kenefifch ift die überaus reiche Verzierung des Thrones
und der Gewänder. Das Ganze ift in einem fehl* lichten Farbenton gehalten.
Ein zweites Madonnenbild PietroV befindet fich in den Uffizien zu Florenz.
Wie die Infchrift betagt, ftammt es aus dem Jahre 1340, und gilt für das Ge-
mälde, welches Pietro laut Valari in San Francesco zu Piftoja malte und aus
 
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