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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Dobbert, Eduard: Giovanni Pisano: Geb. in Pisa um 1250; gest. 1320
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Dobbert, Eduard: Andrea Pisano: Geboren in Pontedera; gest. wahrscheinlich in Orvieto 1349
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0051

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ANDREA PISANO.

37

jüngere Maler an den Werken des älteren Bildhauers gelernt? Haben he hch
gegenfeitig gefördert? Hat vielleicht das Beifpiel GiottoL den alten Meiher mit
fortgeriffen, in der Ichon früher von ihm eingefchlagenen Richtung auf kräftige
Charakteriftik und dramatifches Leben behärkt und weitergeführt? Eines der
allerbedeutendhen Werke GiottoL, die Ausmalung der Arena-Capelle in Padua.,
fällt der Zeit nach vor die Vollendung von GiovanniL Kanzel. Dals aber Letz-
terer in Padua gewefen und die grofsartigen Malereien dieler Capelle gelehen,
wird dadurch wahrlcheinlich, dals ein trefhiches, infchriftlich beglaubigtes Werk
von ihm, die Madonna über der liegenden Grabftatue des Enrico Scrovegno, hch
im Chor der Maria delh Arena behndet. Sollte hch Bodens durchaus lachgemälse
Vermuthung behätigen, wonach die aufrecht flehende Statue Enrico Scrovegno's
in der kleinen Seitencapelle neben dem Chor ebenfalls von Giovanni ftammt,
Io lielse hch mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dals Giovanni Pilano bereits im
erhen Jahrzehnt des Jahrhunderts in Padua gewefen, denn diele Statue zeigt uns
den Stifter der Capelle, welcher im Jahre iß20 harb, in bedeutend jugendlicherem
Alter als an dem Grabmal.
Hatte Niccolo Pifano nur ausnahmsweife die Zeittracht zur Darftellung ge-
bracht^ fo ift he bei Giovanni bereits häufig angewendet, was zu feiner realifti-
Icheren Auffaffung vortrefflich ftimmt. GiovanniL Realismus kommt aber nament-
lich bei der Darftellung nackter Figuren zur Geltung. Da ftrebt er danach, die
einzelnen Körperformen naturgetreu wiederzugeben, fällt aber hierbei wieder,, wie
bei der Schilderung geheigerten Seelenlebens, irfs Häfsliche. Gehalten, wie die-
jenige Chrifti und der beiden Schächer am Kreuze mit der übertriebenen Beto-
nung des Knochengertiftes und der Muskulatur wirken geradezu widerwärtig.
Giovannfs Kenntnifs des menfchlichen Körpers befchränkte hch auf Einzelheiten,
den Gelammtorganismus deffelben beherrlchte er aber nicht und hatte für deffen
Harmonie kein Auge.

V.
Andrea Pisano.
Geboren in Pontcdera; geft. wahrfcheinHcb in Orvieto 1349.
Es kann als ein gtinhiges Gelchick der italienilchen Bildnerei betrachtet
werden, dals aus Giovannfs Schule ein hochbegabter Künftler hervorging, der
nicht blindlings dem Beilpiele des Meihers folgte., londern feine grolsen Vorzüge
zwar zu würdigen wulste, aber auch für die Mängel leiner Kunft ein offenes Auge
hatte. Andrea Pifano hat feinen Figuren einen tiefen Ausdruck zu geben gewulst;
diefes aber gefchah nie auf Koften der Form, vielmehr find feine Gehalten zu-
gleich wahr und fchön. Er vereinigte gewiffermaafsen Niccolo und Giovanni in
hch. Wenn wir Niccolo's antikihrende Richtung gleichlam als Thele, Giovannfs
dagegen reagirende charakterihifch-realihifche Tendenz als Antithele bezeichnen
wollten, fo könnten wir Andrea's Kunh die Synthefe nennen.
Andrea, der Sohn des Ugolino Nini, ih zwar in dem toscanifchen Flecken
Pontedera geboren, nannte hch aber nach der Stadt Pila, in welcher er Ichon
1305 zu Giovanni in die Lehre getreten fein loll. Sein erhes beglaubigtes Werk,
 
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