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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Dobbert, Eduard: Fra Guglielmo: Geb. im Pisa um 1238; gest. nach 1313
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Dobbert, Eduard: Arnolfo di Cambio: Geb. in Colle di Val d'Elsa 1232; gest. in Florenz 1310
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0046

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32

FRA GUGLIELMO.

in diefer Hinficht den Reliefs in Siena näher. So erfcheinen z. B. die beiden
Figuren der D Verkündigung«: lebhaft erregt und nicht minder die Könige aus dem
Morgenlande dort,, wo he ihre Gaben dem Chriftkinde darbringen. Zu wahrhaft
dramatifchem Leben find aber die Scenen aus der Paffion Chrifti gefteigert. Bei
der ^Kreuzigung« ift der Seelenfchmerz der Maria in Niccolo's Weife durch das
Verziehen des Mundes angedeutet. Johannes hat liebevoll die Rechte der Maria
ergriffen,, während he die Linke einer Freundin reicht. Bei der ^Beweinung des
Leichnams Jefu« kommt die Liebe und der tiefe Seelenfchmerz der Angehörigen
zu lebhaftem Ausdruck. Maria küfst voller Inbrunft den Mund des verdorbenen
Sohnes. Eine ihrer Gefährtinnen hat ihr die Rechte auf die Schulter gelegt und
fcheint he tröften zu wollen,, während andere Frauen in wildem Schmerz hch
Gewänder und Haar zerraufen. Man wird an den )>bethlehemitilchen Kindermord«
der Sienefer Kanzel oder auch wohl an Giotto erinnert. Auch beim xTode der
Maria«, wo in Anlehnung an die althergebrachte Darftellungsweife Chriftus der
Maria Seele (in Kindesgeftalt) in den Armen hält, ift die Trauer der Umftehenden
trefflich zur Geltung gekommen und nicht minder bei der ^Höllenfahrt Chrifti« die
Sehnfucht der ihrer Befreiung Harrenden. Wenn der Meifter diefes Werkes der-
felbe ift, welcher die Rückfeite der Graburne zu Bologna fertigte (was ja lehr
wahrfcheinlich), hat er feit jener Arbeit bedeutende Fortfehritte gemacht. Auch
an dem Werke zu Piftoja ift es im Allgemeinen Niccolo's Stil, der uns entgegen-
tritt, und zwar der gereifte Stil, zu welchem der Meifter erft fpäter durchge-
drungen.
Mit Recht ift auf die Verwandtfchaft der Kanzelreliefs zu Piftoja mit der
^Kreuzabnahme« am Dom zu Lucca hingewiefen worden. Es ift nicht unmöglich,
dafs auch diefes letztere Werk von dem talentvollen Dominicaner flammt.
Was deffen fernere Lebensfchickfale betrifft, fo erfahren wir nur noch, dafs
er im Jahre 1293 am Dom zu Orvieto arbeitete. Doch ist es unwahrfcheinlich,
dafs er an den Faffaden-Reliefs diefer Kirche (von denen weiter unten gehandelt
werden wird) Antheil hat, da der Dombau erft im Jahre 1290, der Faffadenbau
aber, wie es fcheint, erft 1310 begann.
Schliefslich finden wir unfern Meifter feit 1304 an der Kirche S. Michele in
Borgo in Pifa befchäftigt, wo er zufolge einer (jetzt nicht mehr vorhandenen) Infchrift
noch im Jahre 1313 anwefend war. Bald darauf fcheint er aber geftorben zu
fein, nachdem er 36 Jahre dem Dominicanerorden angehört hatte.

III.
Arnoifo di Cambio.
Auch dielen Schüler NiccoloL haben wir bereits kennen gelernt, und zwar
zuerft als hervorragenden Gehilfen feines Meifters bei der Errichtung der Kanzel
zu Siena, dann als felbftändigen Künftler im Dienfte des Königs von Neapel und
endlich als Mitarbeiter am Brunnen zu Perugia. Er wirkte ferner in Rom und
Orvieto; gegen Ende feines Lebens aber finden wir ihn als Baumeifter in Florenz
 
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