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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Dobbert, Eduard: Lippo Memmi
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0155

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DIE LORENZETTI.

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in denen Miniaturen ganz in dem Stile Lippo Memmks — wahrfcheinlich auch
von feiner Hand — zu fehen find. In einem diefer Bücher ift mir ein Erzengel
Michael wegen der grofsen Aehnlichkeit mit den Engeln auf Mernrnfs eben be-
fprochenem Bilde aufgefallen.
Von den übrigen dem Lippo zugefchriebenen Gemälden feien hier nur die
mit feinem Namen bezeichneten erwähnt. Dazu gehört die ^Madonna de^* racco-
mandatL in der Capella del santissimo Corporale des Domes zu Orvieto. In der
Mitte fteht Maria, die Hände zur Fürbitte zufammengelegt, aufrecht da. Sie trägt
ein mit goldenen Muftern reich verziertes rothes Gewand. Ihr blauer, weifs ge-
fütterter Mantel wird von zwei Engeln über den bei ihr Schutz fuchenden grofsen-
theils knieenden Männern und Frauen gehalten. Andere Engel, die in dem
oberen Theil des Bildes zu fehen find, blicken freundlich auf Maria hin. Unter
den Befchützten befindet fich auch der Stifter:- eine bildnifsartig behandelte Ge-
halt mit ftark gebogener Nafe. Ein milder Geilt herrfcht in dem Gemälde; die
Engel haben wieder jenen fchon bei Gelegenheit der Wandmalerei in S. Gimig-
nano charakterifirten Typus.
Ferner das al fresco gemalte Madonnenbild über der Sakrifteithür der Servi
zu Siena, auf welchem das ganz in der Vorderanficht dargeftellte Chriftuskind in
der ^Linken einen Vogel, in der Rechten eine Rolle hält. Maria hat den fpe-
cihfch fienefifchen gerührten Ausdruck: es ift als wollte fie eben in Thränen aus-
brechen.
Verwandt mit diefem Gemälde ift das ebenfalls bezeichnete Madonnenbild
der Berliner Galerie Nr. 1081 A des Waagerf fehen Cataloges.
Crowe und Cavalcafelle weifen noch auf Bruchftücke eines Werkes des Lippo
im Palazzo Aleffandri zu Florenz hin, die ich nicht kenne.

Erscheint die Kunft des Lippo Memmi von derjenigen feines bedeutenderen
Schwagers Simone durchaus abhängig, fo find die Brüder Pietro und Ambruogio
Lorenzetti felbftändigere Meifter gewefen, denen es gelang, die vorwiegend lyrifch
angelegte fienefifche Kunftemphndung, wie fie fich in den Werken Simone Mar-
tinas äufsert, nach der Seite dramatischer Lebendigkeit zu ergänzen. Freilich war
fchon vor ihnen in Siena auch nach diefer Seite hin durch Duccio Einiges ge-
deihet worden, aber feine Stärke lag doch, wie wir fähen, ebenfalls in der Schil-
derung fünfter Gefühle. Erft als durch Vermittelung der Lorenzetti GiottoL Geift
in die fienefifche Malerei drang, konnte fie auch in Bezug auf dramatifches Leben
mit der florentinifchen in Wettkampf treten.
Wann und unter welchen äufseren Umftänden die beiden Brüder zu dem
giottesken Stil in Beziehung traten, wiffen wir nicht, dürfen aber nicht vergeffen,
dafs der letztere bald durch ganz Toscana verbreitet war, fo dafs es gar nichts
Wunderbares hat, zwei fienefifche Künftler des 14. Jahrhunderts unter den Ein-
fluss diefer Macht gerathen zu fehen; es wäre vielmehr erftaunlich gewefen, wenn
die fienefifche Kunft das ganze 14. Jahrhundert hindurch fich völlig unabhängig
von der Einwirkung der florentinifchen erhalten hätte, wenn wir uns auch deffen
erinnern, dafs in Folge jenes engherzigen Gefetzes der fienefer Malergilde, welches
 
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