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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Woermann, Karl: Fra Filippo Lippi: Geb. wahrsch.  1412 in Florenz, † 1469 in Spoleto
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0404

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ARBEITEN IM DOME VON SPOLETO. SEIN TOD.

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des Fra Diamante wiffen wir nicht viel. Die Chornifche in Spoleto aber hat er
jedenfalls zu Ende geführt; denn der Tod überrafchte den Fra Filippo vor der
Vollendung des Werkes fchon im Jahre 1469. Vafari fabelt hier, feiner novel-
liflifchen Neigung entfprechend, wieder von Gift, welches die Verwandten feiner
Geliebten ihm beigebracht hätten.
In der Kirche, die fein letztes Hauptwerk fchmückt, liegt Fra Filippo Lippi
begraben. Die Spoletiner errichteten ihm ein Grabmal von rothem und weifsem
Marmor. Später freilich liefsen die Florentiner durch Lorenzo Medici die Leiche
des gefeierten Malers zurückverlangen und gedachten he in ihrem Dome beizu-
fetzen. Die Spoletiner aber widerfetzten lieh diefem Verlangen. Lorenzo liefs
ihm durch Filippino, feinen Sohn, ein Marmordenkmal im Werth von IOO Dukaten
im Dome von Spoleto errichten, und der berühmte Gelehrte Poliziano fchmückte
daffelbe mit einer in lateinifchen Diftichen verfafsten Grabfchrift, die ich etwa
folgendermafsen ins Deutfche überfetzen würde:
Hier nun lieg ich begraben, der Malkuntt Zierde, Philippus,
Deffen bewunderter Hand Grazie Jeglicher kennt.
Könnt' mit der Hand ich, der Künftler, doch Leben den Farben verleihen,
Dafs der Befchauer he lang' reden zu hören vermeint.
Selbh die Natur erhaunte, kopirt durch meine Gehalten;
Und he gehand mir, ich fei gleich ihr an fchöpf'rifcher Kraft.
Unter dem marmornen Mal hat hier mich Lorenzo begraben,
Der Mediceer; vorher deckte mich niederer Staub.
Nach diefem Epigramm war es der Realismus in der KunfI Filippo's, welcher
fchon feinen Zeitgenoffen auffiel. Und dafs der Realismus ein Grundzug von
Filippo's KunfI ift, wird man nicht leugnen können. Aber es ifl nicht der herbe,
oft durch feine Uebertreibung lieh felbft wieder aufhebende Realismus eines
Donatello oder Cahagno, fondern ein Realismus, der auf der treuen Beobach-
tung einer anmuthigen, heiteren, fchönen und dabei doch finnigen und ernhen
Natur beruht. Die Gegenflände, die Filippo darhellt, find ftets Heiligenbilder;
die antiken Stoffe, deren feine nächhen Nachfolger lieh bemächtigten, lagen ihm
noch fern; aber auch innerhab der religiöfen Malerei fucht er fich vorzugsweife
folche Stoffe aus, die ihm ermöglichen, realildifch und zugleich heiter, liebens-
würdig und anmuthig zu fein: in erfler Linie ifl es die holdfelige Jungfrau Maria,
deren Darftellung ihn, den leidenfchaftlichen Verehrer der Frauen, anzieht.
Technifch bezeichnen feine Tafelgemälde vielleicht den Höhepunkt der
iemperamalerei; die Oelmalerei, die bald darauf ihren Triumphzug durch die
Werkftätten der Maler hielt, verfchmähte er noch. Seine Wandgemälde aber,
im Wefentlichen derfelben Technik angehörig, zeugen von einer Meifterfchaft, in
der ihm nur Wenige gleich gekommen hnd.
Sein Selbflporträt zeigt feine, etwas fpitze Züge mit hnnlich dicken Lippen
und glühendem Blicke. Er liebte eine heitere Gefelligkeit und hatte einen Hang
zum Abenteuern. Die Vorfchriften der klöflerlichen Disziplin achtete er nicht
mehr, als die meiflen feiner zeitgenöffifchen Mitmönche. Einen fchlechten
Charakter wird man ihm deshalb nicht beilegen dürfen. Was er der Kunft ge-
leiftet hat, hätte er nicht leiften können, wenn eine weniger erdenfreudige
Gehnnung lieh mit feinem Talente gepaart hätte.
 
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