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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Luecke, Hermann: Bertel Thorwaldsen: geb. 1770 in Kopenhagen, gest. 1844 daselbst
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0068
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BERTEL THORWALDSEN.

Auf den GrofsvaterThorwaldfens, Thorwald Gotfkalkfen-) der erh Küher,
dann Pfarrer in Miklabye war, hatte hch vom Reichthum des alten Gefchlechtes
nichts vererbt. Seine beiden Söhne, Ari und Gotfkalk, verliefsen die Heimath in
jungenjahren, um ihr Glück in Kopenhagen zu verfuchen. Ari, der ältere, der
hch hier bei einem Goldfehmied verdingte, flarb fehr bald. Der jüngere fand als
Bildfchnitzer Befchäftigung auf den Kopenhagener Schiffswerften und erwarb hch
durch Anfertigung von fogenannten Gallions (Figuren am Vordertheil der Schilfe)
einen dürftigen Unterhalt. Das einzige Kind feiner Ehe mit Karen Grönlund,
der Tochter eines jütländifchen Bauern, war Bertel Thorwaldfen.
Ueber den Ort und das Jahr feiner Geburt hat man verfchiedene Angaben;
nach einigen Berichten foll er nicht in Kopenhagen, fondern auf Island, nach
anderen auf der Ueberfahrt von Reikiavik nach Kopenhagen geboren fein, nach
den einen 1771, nach anderen 72. Durch Urkunden war hierüber feltfamer Weife,
als handle es hch um eine Thatfache aus dunkler Vergangenheit, keine Gewiß-
heit zu erlangen; dem Taufzeugnifs Thorwaldfens hat man in den Kirchen-
büchern Kopenhagens vergeblich nachgeforfcht, das Intelligenzblatt der Stadt,
das um die Zeit feiner Geburt wöchentlich die Namen der getauften Kinder ver-
öffentlichte, zeigt in den langen Regihern namenlofer Namen nirgends den be-
rühmten unfers Künhlers. Dafs er, den die Welt fpäter als den modernen
Griechen gepriefen hat, nicht auch wirklich als ungetaufter Heide aufgewachfen
ih, beweilf nur der Conhrmationsfchein, fofern er ein Taufzeugnifs vorausfetzt.
Nach des Künhlers eigner Angabe und nach der feines Jugendfreundes
Hahe^) war er in Kopenhagen im Jahre 1770 geboren. Den Tag feiner Geburt,
den Hafte nach einer alten Kalendernotiz ais den 19. November bezeichnete,
wufste Thorwaldfen, wie Thiele berichtet, nicht licher anzugeben, er phegte zu
fagen, fein Geburtstag fei der Tag feiner Ankunft in Rom.
In dem niedrigen Dunkel ärmlicher und ungeordneter Verhältnilfe wuchs
Thorwaldfen heran, ohne regelmäfsigen Schulunterricht, fo fehr hch felbh und
der gütigen Natur überlaffen, wie es, nach der Aeufserung eines feiner fpäteren
Freunde, ein Menfch, der in einem civilihrten Staate geboren ih, nur fein kann.
Der Vater betrieb fein Handwerk nur läfhg und wie es fcheint, nicht mit befon-
derem Gefchick; wenighens erzählt man, dafs die Löwen feiner Gallions immer
eine unerwünfehte Aehnlichkeit mit Pudein behielten. Die Mutter, die als kleine
Frau von zierlichem Wuchfe gefchildert wird, weichmüthig und gutherzig, ver-
mochte den Bedrückungen der Noth, von der die Familie fchwer heimgefucht
ward, auch ihrerfeits keinen kräftigen Widerhand entgegenzufetzen; frühzeitig
fcheint he hch dem Schickfal der Armuth mit trüber Rehgnation gefügt zu haben.
Ueber die Kindheit des Künhlers haben wir, von ein paar unbedeutenden
Anekdoten abgefehen, die der redfelige Anderfen erzählt, nur die dürftighe
Kunde. Thiele berichtet, wie einige alte Schiffszimmerleute, als Thorwaldfen
längh fchon berühmt war, hch des kleinen Bertel noch wohl erinnnerten,
der öfters nach den Schiffswerften kam, dem Vater das Effen brachte und
von allen, die ihn fahen, wohl gelitten war. Die erhe Entwicklung feines
Talents hatte nichts Ungewöhnliches, feine Natur drängte nicht zu rafcher Ent-
faltung und frühzeitiger Reife. Durch die Vermittlung eines Freundes, der wün-
 
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