Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

DOI article:
Luecke, Hermann: Bertel Thorwaldsen: geb. 1770 in Kopenhagen, gest. 1844 daselbst
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0093
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
SEIN KUNSTCHARAKTER.

5i

Anmuth behtzen: die Statuengruppe Amor und Pfyche, die Hebe, der Hirten-
knabe, eine Reihe der anakreontifchen Reliefs. Nichts kann einfacher und zu-
gleich anmuthiger fein, als die Kompolition der zuerft genannten Gruppe, welche
Pfyche, die in der Linken die Schale mit dem Trank der Unfterblichkeit hält,
mit Amor vereinigt darflellt. Aus der Haltung und Bewegung der fchlanken
Jünglingsgeflalt des Gottes, der die Geliebte fanft umfchlingt, fpricht eine Zart-
heit des Gefühls, die von der fchönRen Natürlichkeit ift und mit dem emphnd-
famen Wefen Canova's nicht den leifeften Zug gemein hat. Die Ruhe der reinflen
Befriedigung umfängt beide Gewalten. *3)
Aus dem Rillen Kreife folcher und ähnlicher DarRellungen iR Thorwaldfen
nur feiten zum Ausdruck bewegterer Empfindungen, Rarker AEekte übergegan-
gen, und faR immer hat iich dann gezeigt, dafs ihn fein Naturell nur in ge-
ringem Maafse dazu befähigte. Auffällige Beifpiele lind der Achill in dem Relief
"Die Entführung der Brifeis«, BHektor, der Paris auRordert, die Waffen zu
ergreifen« und B Alexander und Thais« (gleichfalls Relief-Kompohtionen). In den
zwei erRgenannten Werken, die im Uebrigen die Vorzüge von Thorwaldfen's
KunR in hohem Maafse behtzen, iR die zornige Geberde des Achill fo wenig
wie die des Hektor charakteriRifch bedeutend und wirkungsvoll. ^Alexander
und Thais« gehört zu den fchwächeren Arbeiten der fpäteren Jahre.
Mit fo grofser Entfchiedenheit Thorwaldfen dem Stil der Antike folgte, an
beRimmte Typen und Vorbilder der alten KunR hat er hch nur feiten unmit-
telbar angefchloffen, am meiRen vielleicht in einigen Werken der früheren Zeit,
wie im Jafon und in der BacchusRatue, welche letztere im Charakter der weichen
und vollen Formen, in dem träumerifchen Ausdruck, in der ganzen Bildung und
Haltung fehr entfehieden an beRimmte antike MuRer erinnert. Von den Wer-
ken feiner eigentlichen Bltitheperiode kann man fagen, dafs he von folchen
MuRern um fo weniger abhängig erfcheinen, je reiner und beRimmter der Stil
der Antike in ihnen hch ausprägt. Die individuelle Bedeutung der mythologi-
fchen Gehalten wufste er vielfach mit feinen Zügen zu kennzeichnen und den
Ausdruck derfelben wirkfam zu nüanciren; namentlich iR hierin den DarRellun-
gen des Amor eine grofse Mannigfaltigkeit eigen. Zuweilen allerdings behielt
die CharakteriRik etwas UnbeRimmtes, zu Allgemeines; feinem Apollo z. B.
gehen die charakteriRifchen Merkmale der antiken Idee des Gottes faR gänzlich
ab, fo dafs fein Ausdruck einigermafsen ins Leere fällt. So wenig Thorwaldfen
jemals zum blofsen Nachahmer der Antike wurde, fo wenig freilich kann man
behaupten, dafs die antiken VorRellungen in feiner KunR eine wefentliche Be-
reicherung oder originelle Umbildung erfahren hätten. In dem Kreife diefer
VorRellungen bewegte er hch mit völliger Freiheit; die Grenzen derfelben zu
erweitern, blieb ihm vertagt.
Häufig hnd die GegenRände feiner Kompohtionen dem Gebiete der griechi-
fchen Dichtung entnommen, befonders häuhg die GegenRände der Reliefdar-
Rellungen; viele derartige Werke gehören zu den intereffanteRen Schöpfungen
des KünRlers. Unter den Reliefs, welche homerifche Scenen fchildern, iR mit
Recht befonders berühmt: aPriamos, welcher Achill um Hektors Leiche bittet«,
eine vollendet fchöne Kompohtion, die in ihrer fchlichten Gröfse von echt home-
 
Annotationen