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BERTEL THORWALDSEN.
hier fpringt der Unterfchied zwifchen ihm und Canova am fchärfden ins Auge.
Ihn leitete das Vorbild jener drengen, mit der fchlichteden Anmuth gepaarten
Schönheit der alten Kund, die der Richtung Canova's im Grunde jederzeit fremd
blieb. Indem er diefem Vorbilde nachdrebte, gab er der Pladik den drengen
Adel der Form zurück, der das blofs finnlich Reizende ausfchliefst. Von der
Ueppigkeit der Barockkund und der weichlichen Art Canova's war er fo weit
entfernt, dafs er in der Formenbehandlung leicht einmal an das Gegentheil, an
das Herbe und Harte dreifte; das Studium der Werke des drengen archaifchen
Stils war offenbar, gerade in der Blüthezeit feiner Entwicklung, von wefentlichem
Eindufs auf feinen Formendem, ohne ihn jedoch im Geringden zum )>Archai-
dren« zu verleiten und in der lebendigen Freiheit der kündlerifchen Gedaltung
zu befchränken; die Wirkung diefes Studiums war nur die, dafs es fein Formen-
gefühl fchärfte. Gehalten, wie der Merkur und die Venus, zeigen, mit welcher
Feinheit er die Linie jener edeln Schönheit zu treffen wufste, die des Reizes
ebenfo wenig, wie der Strenge entbehrt.
Diefe Schönheit würde nicht fein, was de id, wenn die Stilidrung der For-
men nicht frei von jedem Andug manieridifcher Gewöhnung wäre, wenn der
Idealismus der Behandlung nicht die Wahrheit einer gefunden, frifchen und le-
bensvollen Naturauffaffung zur Vorausfetzung hätte. Welche Vollendung Thor-
waldfen in der Durchbildung der Formen zu erreichen vermochte, beweifen die
Werke jener Blüthezeit, von denen er mehrere, wie den Merkur und Adonis
allein, ohne jede kündlerifche Beihilfe, in Marmor ausführte; fpäterhin, wo den
Schülern dets ein wefentlicher Theil der Ausführung zudel, hat er manche
Arbeiten als fertig aus feiner Werkdatt entladen, die diefer feinen Durchbildung
ermangeln und oft fogar an einer gewiffen Stumpfheit der Behandlung leiden.
Eine leife Sprödigkeit der Form möchte dch indefs auch an jenen vollendetden
Werken wahrnehmen laffen; die feine Belebung der Oberdäche der pladifchen
Formen, die man als den letzten Triumph des kündlerifchen Geides über das
Wefen des Stoffes bezeichnen kann, den warmen Hauch und Duft des Lebens,
der bei den grolsen Meiderwerken der griechifchen Pladik die Oberdäche der
Formen gleichfam befeelt, wird ein feines Gefühl an jenen vermiffen.
Zu der Formenfchönheit gefeilt dch in den für Thorwaldfenam meiden cha-
rakteridifchen Werken ein Empdndungsausdruck, dem der Charakter antiker An-
muth in überrafchender Weife eigen id. Wenn man dch erinnert, wie weit die
kündlerifche Empdndung in zahlreichen Werken der Barockzeit in der Geziert-
heit einer conventionellen Grazie von der Wahrheit abgeirrt war, wie fehl* das
Affektirte des Ausdrucks noch bei Canova vorherrfchte, fo verdeht man die
tiefe Wirkung, welche die fchlichte Anmuth jener Werke hervorrief. Ihre For-
menfchönheit allein hätte diefe Wirkung nicht gehabt, es mufste die Anmuth
hinzutreten, in der dch die Wahrheit einer fchönen Empdndung ausfprach.
Welch ein Contrad zwifchen der koketten, edektfüchtigen Grazie der Barockzeit
und diefer dillen, ungefuchten, von allem Abdchtlichen völlig freien Anmuth,
mit welcher die edle Natürlichkeit antiken Wefens in derThat wiederaufzuleben
fchien. Soll man die Werke Thorwaldfens bezeichnen, in denen der Grundzug
feines Empdndens am reinden hervortritt, fo dnd es die, welche die fchlichtede
BERTEL THORWALDSEN.
hier fpringt der Unterfchied zwifchen ihm und Canova am fchärfden ins Auge.
Ihn leitete das Vorbild jener drengen, mit der fchlichteden Anmuth gepaarten
Schönheit der alten Kund, die der Richtung Canova's im Grunde jederzeit fremd
blieb. Indem er diefem Vorbilde nachdrebte, gab er der Pladik den drengen
Adel der Form zurück, der das blofs finnlich Reizende ausfchliefst. Von der
Ueppigkeit der Barockkund und der weichlichen Art Canova's war er fo weit
entfernt, dafs er in der Formenbehandlung leicht einmal an das Gegentheil, an
das Herbe und Harte dreifte; das Studium der Werke des drengen archaifchen
Stils war offenbar, gerade in der Blüthezeit feiner Entwicklung, von wefentlichem
Eindufs auf feinen Formendem, ohne ihn jedoch im Geringden zum )>Archai-
dren« zu verleiten und in der lebendigen Freiheit der kündlerifchen Gedaltung
zu befchränken; die Wirkung diefes Studiums war nur die, dafs es fein Formen-
gefühl fchärfte. Gehalten, wie der Merkur und die Venus, zeigen, mit welcher
Feinheit er die Linie jener edeln Schönheit zu treffen wufste, die des Reizes
ebenfo wenig, wie der Strenge entbehrt.
Diefe Schönheit würde nicht fein, was de id, wenn die Stilidrung der For-
men nicht frei von jedem Andug manieridifcher Gewöhnung wäre, wenn der
Idealismus der Behandlung nicht die Wahrheit einer gefunden, frifchen und le-
bensvollen Naturauffaffung zur Vorausfetzung hätte. Welche Vollendung Thor-
waldfen in der Durchbildung der Formen zu erreichen vermochte, beweifen die
Werke jener Blüthezeit, von denen er mehrere, wie den Merkur und Adonis
allein, ohne jede kündlerifche Beihilfe, in Marmor ausführte; fpäterhin, wo den
Schülern dets ein wefentlicher Theil der Ausführung zudel, hat er manche
Arbeiten als fertig aus feiner Werkdatt entladen, die diefer feinen Durchbildung
ermangeln und oft fogar an einer gewiffen Stumpfheit der Behandlung leiden.
Eine leife Sprödigkeit der Form möchte dch indefs auch an jenen vollendetden
Werken wahrnehmen laffen; die feine Belebung der Oberdäche der pladifchen
Formen, die man als den letzten Triumph des kündlerifchen Geides über das
Wefen des Stoffes bezeichnen kann, den warmen Hauch und Duft des Lebens,
der bei den grolsen Meiderwerken der griechifchen Pladik die Oberdäche der
Formen gleichfam befeelt, wird ein feines Gefühl an jenen vermiffen.
Zu der Formenfchönheit gefeilt dch in den für Thorwaldfenam meiden cha-
rakteridifchen Werken ein Empdndungsausdruck, dem der Charakter antiker An-
muth in überrafchender Weife eigen id. Wenn man dch erinnert, wie weit die
kündlerifche Empdndung in zahlreichen Werken der Barockzeit in der Geziert-
heit einer conventionellen Grazie von der Wahrheit abgeirrt war, wie fehl* das
Affektirte des Ausdrucks noch bei Canova vorherrfchte, fo verdeht man die
tiefe Wirkung, welche die fchlichte Anmuth jener Werke hervorrief. Ihre For-
menfchönheit allein hätte diefe Wirkung nicht gehabt, es mufste die Anmuth
hinzutreten, in der dch die Wahrheit einer fchönen Empdndung ausfprach.
Welch ein Contrad zwifchen der koketten, edektfüchtigen Grazie der Barockzeit
und diefer dillen, ungefuchten, von allem Abdchtlichen völlig freien Anmuth,
mit welcher die edle Natürlichkeit antiken Wefens in derThat wiederaufzuleben
fchien. Soll man die Werke Thorwaldfens bezeichnen, in denen der Grundzug
feines Empdndens am reinden hervortritt, fo dnd es die, welche die fchlichtede