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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Eggers, Friedrich: Johann Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0117
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JUGEND UND LEHRZEIT.

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Friedrich von Waldeck genommen. — Chrihian Daniel Rauch ih als der vorletzte
von vier Söhnen am 2. Januar 1777 in dem Haufe geboren, welches dem Vater
von feinem fürfUichen Herrn 1771 gefchenkt worden war und jetzt als Rauch-
ftift zu einem Afyl für hülfsbedürftige alte Frauen geworden ih. Die lebenden
älteren Gefchwifler, zwei Brüder, waren damals fünfzehn- und zwölfjährig. Der
ältefle Bruder ftarb, nach wenigen Jahren und als nun der zweite als Gärtner-
gehilfe 1782 das elterliche Haus verliefs, begann die erwähnte dürftige Schul-
bildung des Knaben, wie fie für jährlich 1 Thaler 20 Grofchen Schulgeld mit
Einfchlufs der Zulage für Heizung kaum ausgiebiger zu verlangen war. Die häus-
liche, ernft gehandhabte Anweifung zur Pünktlichkeit, Ordnung und Sauberkeit
leihete den werthvollften Beitrag zur Erziehung. Die fchon beregte Nothwendig-
keit der Kenntnifs der franzöhfchen Sprache zum Fortkommen in der Welt brachte
es aber mit fleh, dafs für den Knaben von feinem neunten Lebensjahre an zu
dem täglichen Schulgange noch der geregelte Befuch der Mechaniker-Werkhatt
der Gebrüder Weyhl hinzutrat, welche in dem Rufe Landen, im vollen Behtz
jenes Bildungsmittels zu fein. Johann Weyhl war eigentlich Hofglafer und fein
Bruder Wilhelm Kammerdiener der Fürffin Mutter. Das Anfchauen der neben-
bei betriebenen mechanifchen Hantierung hatte für Chrifhan reichlich fo viele
Anziehungskraft als die Erlernung der franzöhfchen Sprache. Allein die Nach-
hülfe des Emigranten de l'Hardier genügte dem Bedürfniffe doch fo weit, dafs
dem fpäteren Fortkommen von dem Gehchtspunkte diefes Bildungserforderniffes
aus keine Hinderniffe in den Weg getreten find.
Ohne Zweifel hat das Intereffe an den mechanifchen Handfertigkeiten die
erfte Neigung erweckt für die Ausbildung der eigenen Hand zu gefchickter Thätig-
keit. Die Richtung aber, in welcher diefe zu wirken haben würde, ward dadurch
befhmmt, dafs dem Knaben durch den Beruf des Vaters häufig Gelegenheit ge-
boten wurde, die fürfUichen Gemächer zu betreten. Hier fehelten ihn die Ge-
mälde und Stiche, welche an den Wänden hingen, vor allem aber die plafhfchen
Werke, der Gipsabgufs einer Apollohatue und die charaktervollen Büffen Friedrich's
des Grofsen und Goethe's von eben jenem Trippei, welcher hinter Schadow in
der Bewerbung um die Berliner Hofbildhauerftellung um jene Zeit hatte zurück-
hehen rnüffen. Und als Chrifhan nun noch die Bekanntfchaft der Lehrburfchen
des Waldecker Hofbildhauers Valentin machte und Zutritt zu des letzteren Werk-
hatt erlangte, Land für ihn die Wahl des Berufes feh, für welchen er nach feiner
Konfirmation (1790) eine Entfcheidung zu geben hatte.
Die elterliche Einwilligung ward nicht ohne Widerhand ertheilt. Hatte der
Knabe doch für die Richtigkeit feiner Wahl keine Belege in eigenen Leihungen
aufzuweifen, fondern nur die Unbezwinglichkeit feiner Neigung geltend zu machen.
Fünf Jahre dauerte die Lehrzeit, welche der junge Bildhauer, täglich zwifchen
Arolfen und Helfen, dem Wohnorte Valentin's, hin und her wandernd, mit Holz-
fchnitzerei für Bilderrahmen und Arbeiten in Sandhein zu Grabmälern, Alles nach
den einzig gültigen Vorbildern eines prunkenden Zopfhils, verbringen mufste.
Ein anderes Bild feiner Kunh ging vor feinen Augen aufj als ihm mit feinem
Kameraden Wolff eine Fufsreife nach Kaffel erlaubt ward. Hier traten im Mufeum
die erhen antiken Marmorhatuen vor fein Auge — eine neue Welt. Und als er
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