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CHRISTIAN DANIEL RAUCH. 1777 — 1804.
in der Werkdatt des Profeffors Chridian Ruhl zum erden Male fah, wie viel
gefügiger der naffe Thon fich zum bildnerifchen Schaden hergab, als das harte
Holz und der fpröde Sanddein, als er hörte, was der eben aus Rom zurück-
gekehrte Meider Ruhl von den Ueberreden der antiken Welt, von den herrlichen
Werken Canova's und Trippel's zu erzählen wufste: da ward Helfen, ja felbd
Arolfen klein und immer kleiner vor dem daunenden Aug' und Ohr, und Kaffel
leuchtete fortan als höchdes Ziel der Sehnfucht.
Zunächd freilich mufste die kontraktliche Lehrzeit abfolvirt werden. Dann
aber, im Herbd 1795, wanderte der junge Gehülfe nach Kaffel in Ruhl's Werk-
datt, in welche er mit einem Wochenlohn von einem Laubthaler eintrat. An den
langen Winterabenden durfte er die landgräfliche Akademie in Kaffel befuchen,
wo er zuerd nach dem lebenden Modell in Thon zu arbeiten begann. In der
Werkdatt blieb es bei Aufgaben in Holz und Sanddein im Dekorationsfache,
welche reichlich feinem Meider zufloffen und der geübten Hand des Gehülfen ent-
fprachen. Es war damals für die pladifche Ausfchmückung der Schlofs- und
Gartenbauten zu forgen, welche der Landgraf Friedrich von Heffen-Kaffel durch
feine Baumeider du Ry und Juffow fchaffen liefs, feit 1794 unter dem Namen
Wilhelmshöhe gekannt und bewundert als eine der vorzüglichden Schöpfungen
des eben gegen den franzöfifchen Gartenbaudil degreich in die Schranken treten-
den englifchen Parkdils. Ruhl hatte vollauf zu wirken, und Rauch's helfende
Hand kam hier zum erden Male zu felbdändigem Schaffen. Die Hirfchköpfe im
Saale der Löwenburg rühren von ihm her.
Eigene erwerbsfähige Thätigkeit war jetzt um fo mehr gefordert, als vier
Monate nach feinem Eintritt in die Ruhl'fche Werkdatt Rauch's Vater gedorben
war, und die Sorge für die Mutter nun den beiden felbdändigen Söhnen zufiel.
Friedrich, der ältere, war inzwifchen Schlofskadellan in Sanssouci geworden.
Er hatte eine Stellung, in welcher er allein jener Sorge genugthun und aufser-
dem dem jüngeren Bruder Chridian für deffen Fortkommen durch Rath und That
zur Seite dehen konnte. Doch auch dies Verhältnifs blieb nicht von langer
Dauer. Zu Anfang des Jahres 1797 gelangte die Nachricht von einer fchweren
Erkrankung Friedrich's nach Kaffel. Chridian reide fofort nach Potsdam ab.
Bei feiner Ankunft fand er nur den frifchen Grabhügel des Entfchlafenen.
Mit der Ordnung des brüderlichen Nachlades glaubte Rauch das Gefchäftliche
feiner Reife beendet. Aber er fragte dch nun, ob er in die bisherigen Geleife
feiner Lebensbahn wieder einlenken und nach Kaffel zurückkehren, oder ob er
verfuchen follte, dch in Berlin in feinem Berufe zu fördern. Die Entfcheidung
kam in wenigen Tagen; fcheinbar zunächd durchaus gegen Wunfch und Willen,
aber in der That trug de in dch die ganze Zukunft des Kündlers.
Rauch hatte den Wendepunkt feines Lebens betreten. Als er die diend-
lichen Nachlafspapiere feines Bruders nach Berlin brachte, kam es zu einer perfön-
lichen Begegnung mit König Friedrich Wilhelm II. Diefem gedel die dattliche
Perfönlichkeit des jungen Mannes, und durch feinen Kämmerier Rietz liefs er ihn
bedimmen, als Kammerdiener in den königlichen Diend zu treten. Leicht war
die Ueberredung nicht; denn wohl empfand Rauch, wie er feiner innerden Neigung
Gewalt anzuthun hatte. Allein der Kämmerier wufste diefe Neigung in Kondikt
CHRISTIAN DANIEL RAUCH. 1777 — 1804.
in der Werkdatt des Profeffors Chridian Ruhl zum erden Male fah, wie viel
gefügiger der naffe Thon fich zum bildnerifchen Schaden hergab, als das harte
Holz und der fpröde Sanddein, als er hörte, was der eben aus Rom zurück-
gekehrte Meider Ruhl von den Ueberreden der antiken Welt, von den herrlichen
Werken Canova's und Trippel's zu erzählen wufste: da ward Helfen, ja felbd
Arolfen klein und immer kleiner vor dem daunenden Aug' und Ohr, und Kaffel
leuchtete fortan als höchdes Ziel der Sehnfucht.
Zunächd freilich mufste die kontraktliche Lehrzeit abfolvirt werden. Dann
aber, im Herbd 1795, wanderte der junge Gehülfe nach Kaffel in Ruhl's Werk-
datt, in welche er mit einem Wochenlohn von einem Laubthaler eintrat. An den
langen Winterabenden durfte er die landgräfliche Akademie in Kaffel befuchen,
wo er zuerd nach dem lebenden Modell in Thon zu arbeiten begann. In der
Werkdatt blieb es bei Aufgaben in Holz und Sanddein im Dekorationsfache,
welche reichlich feinem Meider zufloffen und der geübten Hand des Gehülfen ent-
fprachen. Es war damals für die pladifche Ausfchmückung der Schlofs- und
Gartenbauten zu forgen, welche der Landgraf Friedrich von Heffen-Kaffel durch
feine Baumeider du Ry und Juffow fchaffen liefs, feit 1794 unter dem Namen
Wilhelmshöhe gekannt und bewundert als eine der vorzüglichden Schöpfungen
des eben gegen den franzöfifchen Gartenbaudil degreich in die Schranken treten-
den englifchen Parkdils. Ruhl hatte vollauf zu wirken, und Rauch's helfende
Hand kam hier zum erden Male zu felbdändigem Schaffen. Die Hirfchköpfe im
Saale der Löwenburg rühren von ihm her.
Eigene erwerbsfähige Thätigkeit war jetzt um fo mehr gefordert, als vier
Monate nach feinem Eintritt in die Ruhl'fche Werkdatt Rauch's Vater gedorben
war, und die Sorge für die Mutter nun den beiden felbdändigen Söhnen zufiel.
Friedrich, der ältere, war inzwifchen Schlofskadellan in Sanssouci geworden.
Er hatte eine Stellung, in welcher er allein jener Sorge genugthun und aufser-
dem dem jüngeren Bruder Chridian für deffen Fortkommen durch Rath und That
zur Seite dehen konnte. Doch auch dies Verhältnifs blieb nicht von langer
Dauer. Zu Anfang des Jahres 1797 gelangte die Nachricht von einer fchweren
Erkrankung Friedrich's nach Kaffel. Chridian reide fofort nach Potsdam ab.
Bei feiner Ankunft fand er nur den frifchen Grabhügel des Entfchlafenen.
Mit der Ordnung des brüderlichen Nachlades glaubte Rauch das Gefchäftliche
feiner Reife beendet. Aber er fragte dch nun, ob er in die bisherigen Geleife
feiner Lebensbahn wieder einlenken und nach Kaffel zurückkehren, oder ob er
verfuchen follte, dch in Berlin in feinem Berufe zu fördern. Die Entfcheidung
kam in wenigen Tagen; fcheinbar zunächd durchaus gegen Wunfch und Willen,
aber in der That trug de in dch die ganze Zukunft des Kündlers.
Rauch hatte den Wendepunkt feines Lebens betreten. Als er die diend-
lichen Nachlafspapiere feines Bruders nach Berlin brachte, kam es zu einer perfön-
lichen Begegnung mit König Friedrich Wilhelm II. Diefem gedel die dattliche
Perfönlichkeit des jungen Mannes, und durch feinen Kämmerier Rietz liefs er ihn
bedimmen, als Kammerdiener in den königlichen Diend zu treten. Leicht war
die Ueberredung nicht; denn wohl empfand Rauch, wie er feiner innerden Neigung
Gewalt anzuthun hatte. Allein der Kämmerier wufste diefe Neigung in Kondikt