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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Eggers, Friedrich: Johann Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0198
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RAUCH UND SCHADOW.

nach den Kunftfchöpfungen fuchen, welche ihm feine Unfterblichkeit gewährleiften,
dann find es jene unvergänglichen Statuen der Helden aus der Friedrichszeit mit
ihrem grofsen König; und als er am Spätabend feines Lebens an fein literarifches
Memoirenwerk ging, leitete er es ein mit der Bemerkung, dafs er «in fehr hohem
Alter auf die Idee gerathen, Erinnerungen aufzufchreiben aus den letzten Regie-
rungsjahren König Friedrich's des Grofsen." So kam er fein Leben lang nicht
aus dem Banne der Generation heraus, welcher er durch feinen eigenen Entwicke-
lungs- und Bildungsgang voll und ganz angehörte.
So freilich auch Rauch: — nur dafs er in eine andere Generation gefleht
war. Im Jünglingsalter, dem für alle Eindrücke empfänglichflen, kam er aus einem
kleinen Staat ohne alles politifche Leben durch den Dienfl am königlichen Hofe
und bei der Königin Luife in unmittelbarfte Berührung mit den Quellen der
politifchen Wandlungen im deutfchen Volksgeift. Politifche Anfchauungen traten
nun überhaupt zuerfl in Mitwirkung für fein Gemüthsleben, fie waren wie eine
frifche Saat auf einem bisher unbeflellten Ackerland und fie mufsten nun in der
Weife fpriefsen und blühen und endlich Früchte tragen, wie es der unmittelbarflen
feelifchen Antheilnahme an allen Ereigniffen entfprach, als den perfönlichflen Er-
eigniffen des eigenen Lebens. Aus dem königlichen Kammerdienft nach Rom
gelangt, hier im fleten engflen Verkehr mit dem Humboldt'fchen Haufe erlebte
Rauch den Untergang Deutfchlands und Preufsens mit allen Todeszuckungen, als
träten fie an das eigene warme Herz. Man weifs, wie die allzu feurige und
unvorfichtig betriebene politifche Korrefpondenz die Folge hatte, dafs er nur mit
Mühe von der Fortführung in franzöfifche Gefangenfchaft befreit ward. Dann
kam der Tod der allgeliebten Königin, dann die Erhebung Deutfchlands in den
Befreiungskämpfen, und von allen diefen Ereigniffen unmittelbarfte Rückwirkung
auf die eigene, in antiker Anfchauung von der Plaftik wurzelnde Kunft. Statt
jenes Zwiefpalts in Schadow zwifchen Griechenthum und Märkerthum,
kamen in Rauch's Leben und Werken alle einheitlichen Beziehungen zum Aus-
druck, welche zwifchen dem deutfchen Geift und dem griechifchen ob-
walten und von nun an auch Leben gewannen in der bildenden Kunft, vorab in
der Plaftik.
Vorgearbeitet war freilich bereits. Die Gefchichte der Plaftik lehrt, dafs
Canova zuerft der in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts durch Unnatur
und Verfchrobenheit entftellten plaftifchen Kunft diefe Feffeln abftreifte, dafs fie
wieder erkennbar ward als Tochter des griechifchen Volksgeiftes, dem die Kunft
zur eigenen Natur geworden. Thorwaldfen führte die wiedergefundene Tochter
in ihre geiftige Heimath, und fie bewegte fich unter feiner Leitung wiederum aus-
fchliefslich unter den griechifchen Göttergeftalten, die nicht mehr als trockene
Allegorien, fondern als fie felbft, faft möchte man fagen, mit eigenem Fleifch und
Blut in's Kunftleben der Gegenwart traten und das Bewufstfein der Verwandt-
fchaft des deutfchen Geiftes mit dem klaffifchen mitbelebten. Diefer inneren
Wahrheit der Identität von Kunft und Natur gegenüber iahen wir fchon früher
Schadow die äufsere Wahrheit diefer Identität betonen, die Naturwirklichkeit.
Schadow felbft fühlt diefen Gegenfatz gegen Thorwaldfen, «deflen Stil und Manieren
gar verfchiedenn waren von den eigenen, und empfand ihn fo unangenehm, dafs
 
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