ZEITGESCHICHTLICHE PARALLELE.
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BeAand doch die Ehre des BürgerAandes darin, dafs er frei war vom Militär-
dienAe, während er heute feinen Stolz darin fetzt, zu diefem Dienfte mitberufen
zu fein. Dies Beifpiel fafst für Deutfchland das Wefentliche in Ach, was die
Ausreifung eines Nationalgefühls zu Stande brachte. Die Einigung unter den
Waffen, von der Niemand ausgefchloffen war vom Oberhaupte an bis zum
GeringAen, der nichts befafs als feine phyAfche Befähigung und die perfönliche
Ehre, diefe Einigung und ihr Werk, die Vertreibung des Feindes, erzeugte ein
bis dahin nicht vorhandenes Band zwifchen FürA und Volk in dem gemeinfamen
Gefühl, für die Ehre eines Höheren, über beiden Stehenden, für die Ehre der
Nation. Diefe Empfindung ward für Preufsen wie für Deutfchland die vornehm-
lichfle Wurzel des Nationalgefühls. Der Volkspatriotismus der alten Zeit ent-
flammte einem anderen Ehrgeluhl. Dem Begriff der Landeshoheit gegenüber
knüpfte es an die bewohnte Scholle und an deren Beherrfcher, und das patrio-
tifche Ehrgefühl der Unterthanen innerhalb deffelben Landesgebietes war kein
urfprünglich eigenes, fondern ein vermitteltes, ein Reflex der Ehre des Landes-
herrn. Gerade die Schranke zwifchen Fürft und Volk, ihre Getrenntheit war für
dies Gefühl mafsgebend, nicht die Einheit beider unter dem Begriff der Nation.
Es handelt Ach hier nicht um eine moralifche Abfehätzung von Gefühlen, fondern
lediglich um deren pfychologifche Erklärung. Das eine iA fo gut wie das andere,
denn jedes iA für feine Zeit das nothwendige und einzig mögliche. Wer voll-
Aändig einer früheren Generation angehört, kann unmöglich die EmpAndungen
einer fpäteren theilen oder auch nur verAehen. Sie bleibt ihm Aemd. Und um-
gekehrt : die fpätere Generation theilt nicht das EmpAnden der voraufgehenden,
aber Ae kann Ae reAektirend verAehen lernen; das hat Ae voraus.
Das moderne Gefühl Autzt beifpielsweife gegenüber folgender Situation: zu
Anfang des Jahres 1813 die KataArophe Napoleons in Rufsland ; Alles in Gährung;
der Entfcheidungskampf fcheint eingeleitet; Berlin iA noch franzöAfch, tagelang
dauern die Vorbereitungen zu einem furchtbaren Strafsenkampfe — und die Tage-
buchbemerkungen der treAlichen OberhofmeiAerin von Vols, deren ganzes Leben
Anhänglichkeit und Hingebung war für das königliche Haus, begleiten diefe That-
fachen mit den Worten: «Kaum weifs man, ob wir franzöAfch oder rufAfch fein
werden. Abends war ein folcher Lärm vor den FenAern, dafs man nicht einmal
WhiA fpielen konnte." Am Tage zuvor hatte Ae Ach noch «ruhig zu ihrer
Parthie fetzen können", obwohl das königliche Schlofs fchon von AanzöAfchen
Kanonen umAellt war, die Kofacken in die Stadt eindrangen und einzelne Schar-
mützel Ach entfpannen. — Aehnlich Schadosv. Als unmittelbar hiernach die neue
Heeresorganifation auch den LandAurm brachte und diefer zuerA auf dem Exercir-
platze zufammen war, bemerkt er: «ein alter OberA liefs uns nach einigen
Märfchen mit gefälltem Bajonnet und Piken Sturm laufen, wo dann ganz klar
wurde, wer da laufen konnte und wer nicht." — Ihm kam die Sache einfach
lächerlich vor; in Hinblick auf einzelne Perfonen und die gefammte äufsere Er-
fcheinung immerhin mit Recht; aber die Einrichtung felbA und ihre Idee war
nicht im mindeAen lächerlich; Ae pafste nur nicht zu den VorAellungen der
früheren Generation. Und als fein KunAtrieb diefer Zeitepoche näher trat, da
zeichnete er ganze Hefte von Karrikaturen auf Napoleon! — Wenn wir aber
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BeAand doch die Ehre des BürgerAandes darin, dafs er frei war vom Militär-
dienAe, während er heute feinen Stolz darin fetzt, zu diefem Dienfte mitberufen
zu fein. Dies Beifpiel fafst für Deutfchland das Wefentliche in Ach, was die
Ausreifung eines Nationalgefühls zu Stande brachte. Die Einigung unter den
Waffen, von der Niemand ausgefchloffen war vom Oberhaupte an bis zum
GeringAen, der nichts befafs als feine phyAfche Befähigung und die perfönliche
Ehre, diefe Einigung und ihr Werk, die Vertreibung des Feindes, erzeugte ein
bis dahin nicht vorhandenes Band zwifchen FürA und Volk in dem gemeinfamen
Gefühl, für die Ehre eines Höheren, über beiden Stehenden, für die Ehre der
Nation. Diefe Empfindung ward für Preufsen wie für Deutfchland die vornehm-
lichfle Wurzel des Nationalgefühls. Der Volkspatriotismus der alten Zeit ent-
flammte einem anderen Ehrgeluhl. Dem Begriff der Landeshoheit gegenüber
knüpfte es an die bewohnte Scholle und an deren Beherrfcher, und das patrio-
tifche Ehrgefühl der Unterthanen innerhalb deffelben Landesgebietes war kein
urfprünglich eigenes, fondern ein vermitteltes, ein Reflex der Ehre des Landes-
herrn. Gerade die Schranke zwifchen Fürft und Volk, ihre Getrenntheit war für
dies Gefühl mafsgebend, nicht die Einheit beider unter dem Begriff der Nation.
Es handelt Ach hier nicht um eine moralifche Abfehätzung von Gefühlen, fondern
lediglich um deren pfychologifche Erklärung. Das eine iA fo gut wie das andere,
denn jedes iA für feine Zeit das nothwendige und einzig mögliche. Wer voll-
Aändig einer früheren Generation angehört, kann unmöglich die EmpAndungen
einer fpäteren theilen oder auch nur verAehen. Sie bleibt ihm Aemd. Und um-
gekehrt : die fpätere Generation theilt nicht das EmpAnden der voraufgehenden,
aber Ae kann Ae reAektirend verAehen lernen; das hat Ae voraus.
Das moderne Gefühl Autzt beifpielsweife gegenüber folgender Situation: zu
Anfang des Jahres 1813 die KataArophe Napoleons in Rufsland ; Alles in Gährung;
der Entfcheidungskampf fcheint eingeleitet; Berlin iA noch franzöAfch, tagelang
dauern die Vorbereitungen zu einem furchtbaren Strafsenkampfe — und die Tage-
buchbemerkungen der treAlichen OberhofmeiAerin von Vols, deren ganzes Leben
Anhänglichkeit und Hingebung war für das königliche Haus, begleiten diefe That-
fachen mit den Worten: «Kaum weifs man, ob wir franzöAfch oder rufAfch fein
werden. Abends war ein folcher Lärm vor den FenAern, dafs man nicht einmal
WhiA fpielen konnte." Am Tage zuvor hatte Ae Ach noch «ruhig zu ihrer
Parthie fetzen können", obwohl das königliche Schlofs fchon von AanzöAfchen
Kanonen umAellt war, die Kofacken in die Stadt eindrangen und einzelne Schar-
mützel Ach entfpannen. — Aehnlich Schadosv. Als unmittelbar hiernach die neue
Heeresorganifation auch den LandAurm brachte und diefer zuerA auf dem Exercir-
platze zufammen war, bemerkt er: «ein alter OberA liefs uns nach einigen
Märfchen mit gefälltem Bajonnet und Piken Sturm laufen, wo dann ganz klar
wurde, wer da laufen konnte und wer nicht." — Ihm kam die Sache einfach
lächerlich vor; in Hinblick auf einzelne Perfonen und die gefammte äufsere Er-
fcheinung immerhin mit Recht; aber die Einrichtung felbA und ihre Idee war
nicht im mindeAen lächerlich; Ae pafste nur nicht zu den VorAellungen der
früheren Generation. Und als fein KunAtrieb diefer Zeitepoche näher trat, da
zeichnete er ganze Hefte von Karrikaturen auf Napoleon! — Wenn wir aber
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