Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,2): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

DOI article:
Valentin, Veit: Cornelius, Overbeck, Schnorr, Veit, Führich, 3, Kampf und Ausgang
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.36324#0088
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
75

DENKBLÄTTER FÜR UNSERE ZEIT.

Edles für lolchen Gehalt ift. Wir begnügen uns, auf zwei Blätter belonders
hinzuweifen. Das Titelblatt zeigt in feinem oberen Theil das wahnfinnige, von
höllifchen Mächten geleitete Dahinftürmen der revolutionären Kräfte des Fort-
fchrittes und der Emanzipation. Unter dem Titel befindet fich aber eine höchfl
geiftvolle Darflellung der Grundtendenz: eine luflige Gefellfchaft überläfst fich
im Kahne dem Strome des raufchenden Fluhes: noch ift das Schifflein ange-
bunden, da fchneidet ein leichtfinniges Weib mit der Sichel den haltenden Strick
durch — im nächften Augenblick folgt das Schiff dem Strom, ohne dafs die
Infahen es merken, dafs nicht weit von ihnen der Strom in einen Abgrund
flürzt und dafs andere Schiffe eben mit hinuntergerihen werden, ein Loos, das
auch für fie unausbleiblich ift. Der feite Stamm aber, an den das Schifflein
gebunden war, ift das Kreuz, in dem allein Rettung und wahres Glück ift. So
wird knapp und fcharf die Grundtendenz, die Hauptlehre, fchon auf dem Titel-
blatt verkündet —- was noch kommt, ift nur Variation und weitere Ausführung.
Künftlerifch hervorragend ift das dritte Blatt: der breite Weg zum Verderben
und der fchmaleWeg zum Leben nach Ev. Matth. 7, 12—14; hier hat fich die
Kompofition zu einem wahren Meifterwerke landfchaftlicher Schönheit und treffender
Charakteriftik geftaltet, die auch im Einzelnen, und nicht am wenigften in der
Schilderung der Weltluft — fo des behaglich unter der Laube beim Weine
Sitzenden — vortrefflich gelungen ift.
Die anderen Werke diefer Gattung, der Mehrzahl nach bei Alphons Dürr
in Leipzig erfchienen, find zum Theile von dem Herausgeber felbft veranlagt
und in Auftrag gegeben worden. Es ift felbftverftändlich, dafs bei folchen
Arbeiten der Künftler fich nicht ganz fo frei bewegen kann, zumal wenn es fich
um Illuftrationen zu gegebenen Texten handelt, wo das Bild ergänzend und
erläuternd neben das Wort zu treten hat. Um fo bedeutfamer ift es, wie Führich
auch hier fich feine Selbftändigkeit und feine künftlerifche Bedeutung gewahrt
hat, wie er vielfach aus dem Worte die Anregung nimmt, dann aber feinen
Weg felbftändig geht. Wir rechnen hierher die von K. Oertel in Holz
gefchnittenen Illuftrationen zu des Thomas von Kempen «Vier Bücher von
der Nachfolge Chrifti» und zu dem «Pfalter». Die Aufgabe für den kräftigen
Holzfchnitt zu zeichnen fagte Führich offenbar ganz befonders zu: er konnte
die Energie feiner Zeichnung zur Geltung bringen, ohne der tieferen Empfindung
entfagen zu mühen. In dem erfteren der beiden Werke mit feinen durchweg
abftrakten Vorfchriften und Reflexionen war es Sache des Bildkünftlers zugleich
als Dichter zu fchahen. Hier und da ergiebt fich diefe Dichtung leicht, wie
bei dem Blatt von der «Nachfolge Chrifti». Schwieriger wird die Aufgabe,
wenn z. B. die Lehre von der Wahrheit dargeftellt werden foll: da erfcheint
Chriftus als Säemann und zur Seite das Wort Gottes unter den Dornen; oder
wenn von der eifrigen Beherung unferes ganzen Lebens die Rede ift, fo tritt
Chriftus als forglicher Gärtner auf, welcher ein krumm gewachfenes Bäumchen
an einen geraden Stab bindet, damit es den richtigen Weg, die Beherung finden
kann. Oder es foll die Bereitfchaft zum Tode gelehrt werden: da kehrt der
Tod den Stolz der Lebenden fort und knickt wie die Rofe fo den Stab des
Pilgers (S. 77). Soll die Tugend der Schweigfämkeit zu Gemüthe geführt werden,
10*
 
Annotationen