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Dresdner, Albert
Schwedische und norwegische Kunst seit der Renaissance — Jedermanns Bücherei: Breslau: Ferdinand Hirt, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.67059#0025
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3. Nikodemus Tessin d. J.

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wurde sein römischer Aufenthalt während der ersten Reise (1673
bis 1677). Damals arbeitete er bei Carlo Fontana, aber vor allem
schloß er sich an den greisen Bernini an, zu dem ihm die Emp-
fehlung der Königin Christine den Zugang öffnete. Als kurz nach
seiner Heimkehr der alte Tessin 1681 starb, wurde der Sohn der
Nachfolger in seinen Ämtern; er erlangte später als Oberintendant
einen Wirkungskreis, der an Reichweite und Einfluß treffend mit
dem Le Bruns verglichen worden ist, und ist in seiner späteren
Lebenszeit, in den Grafenstand erhoben und zum Oberstmarschall
ernannt, eine bedeutende Persönlichkeit im gesellschaftlichen und
politischen Leben Schwedens geworden. Obgleich seine Tätigkeit
durch die Ungunst der Zeit eingeschränkt wurde, bleibt er doch die
große Figur der schwedischen Baugeschichte. Sein Ruhm reichte
weit über Schwedens Grenzen hinaus: Karl II. von England suchte
ihn in seinen Dienst zu ziehen, Peter d. Gr. hat bei ihm den Ent-
wurf einer Riesenkathedrale bestellt, für den Neubau des Kopen-
hagener Schlosses hat er einen Plan geliefert, und ein von ihm ein-
gereichtes Projekt zum Neubau des Louvres ist von Mansart einer
eingehenden Kritik gewürdigt worden. Wohl zählt Tessin nicht zu
jenen Meistern, die der europäischen Architektur neue Wege ge-
brochen haben. Die Hauptquelle, die sein Schaffen speiste, war der
römische Barock, dessen Raum- und Formvorstellungen er sich
aufs gründlichste angeeignet hat; daneben hat er die Leistungen
der französischen Schloß- und Gartenbaukunst mit aufmerksamem
Verständnisse studiert. Gerade an seinem Hauptwerke, dem Stock-
holmer Schlosse, hat Ragnar Josephson die Vorbilder bis in die
Einzelheiten hinein nachweisen können. Aber Tessin hat vom
Vater die glückliche Fähigkeit geerbt, das Erlernte freischöpferisch
zu verwenden, und in der Kraft seines architektonischen Vorstel-
lungsvermögens, der Sicherheit des Stilgefühls und der Souveränität
des Könnens ist er vom Schlage der großen Baukünstler des Barocks.
Seine Schöpfungen bezeugen durchweg eine machtvolle und über-
legene Intelligenz, die alle Teile der Aufgabe durchdringt und be-
herrscht, überall die geeigneten Mittel zu ihrer Lösung findet und
besonders dank einem feinen Sinne für die Verhältnisse alle De-
tails in eine große Form einzuordnen versteht.
 
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