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Dresdner, Albert
Schwedische und norwegische Kunst seit der Renaissance — Jedermanns Bücherei: Breslau: Ferdinand Hirt, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.67059#0045
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7. Dahl

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der Architektur der aus Lübeck stammende, in Kopenhagen aus-
gebildete Heinrich August Grosch (1763—1843), der in Christiania
die alte Bank, die Börse und — unter Beteiligung Schinkels — die
Universität erbaute; und was die Malerei angeht, so schuf Jakob
Munch (1776—1839) Bildnisse Davidscher Haltung. Aber der Klassi-
zismus besaß im norwegischen Klima nicht die Kraft, eine nationale
Kunst zu zeugen; es waren Voraussetzungen ganz anderer Art,
aus denen sie sich entwickelte.
Der Begründer norwegischer Kunst wurde Dahl.
Johann Claußen Dahl (1788—1857), aus bäuerlichem Blute stam-
mend, in sehr einfachen Verhältnissen zu Bergen geboren, ging
daselbst bei Johann Georg Müller in die Malerlehre. Müller hatte
sich an der Kopenhagener Akademie die Formgebung des Klassi-
zismus angeeignet, aber es ist bezeichnend, daß dieser Einfluß an
Dahls Persönlichkeit gleichsam spurlos abtropfte. Er fand seinen
Weg aus der Kraft seines Naturgefühls. Dies Naturgefühl Dahls
hatte seine zeitgeschichtlichen Wurzeln in der Rousseauschen Natur-
romantik, die überall das Ursprüngliche und Wilde, das Erhabene
und das Empfindsame in der Landschaft suchte. Dänische Maler
hatten die Ergiebigkeit der norwegischen Landschaft, dieser „nor-
dischen Schweiz“, für die neue Naturanschauung entdeckt, und es
entstanden Stichreihen, die die Wildheit der Felsen und Gebirge,
die tobende Unbändigkeit der Wasserfälle, den malerischen Reich-
tum der Landschaftsformen Norwegens stimmungsmäßig zu schil-
dern suchten. Dieses romantischen Geistes Kind war der Bergenser
Malergeselle. Er kannte die norwegischen Landschaftsstiche, aber
als Sohn der norwegischen Erde stand er der heimatlichen Natur
mit unvergleichlich tieferer Vertrautheit und stärkerer Erlebniskraft
gegenüber als fremde Besucher. Als er 1811 durch die Unter-
stützung wohlgesinnter Förderer instand gesetzt wurde, die Aka-
demie in Kopenhagen zu beziehen, kannte er noch kein höheres Ziel,
als sich zum tüchtigen Dekorationsmaler auszubilden. Erst hier
ging ihm die Welt der Kunst und die Möglichkeiten auf, die sie
über das Handwerkliche hinaus bot, und er begann sich an den
alten Holländern und an den Werken der von Eckersberg begrün-
deten, frisch aufblühenden dänischen Malerschule in die Land-
 
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